Blue wie traurig
Mittwoch, 13. Juli 2016
Die Geschichte von Blue
Ein junges Mädchen lebt in einer Nervenklinik. Sie spricht nicht, entschließt sich aber dem Arzt ihre Geschichte schriftlich zu erzählen. Sie beginnt ihre Geschichte mit der Zeit, als sie 13 war und stellt direkt klar, dass sie zwei Menschen getötet hat.
Blue ist ein dreizehnjähriges Mädchen, Halbwaise und zieht mit ihrer drogenabhängigen Mutter zurück in die Kleinstadt, in der damals ihr Vater bei einem Banküberfall erschossen wurde. Die Mutter ist emotional und finanziell am Ende, ihr wurde von einem alten Freund ein Job versprochen. Seit dem Tod des Vaters spricht Blue nicht. Und sie hat immer ein Buch im Arm. Eine ältere Ausgabe von „Der Zauberer von Oz.“ Immer wieder liest sie darin, streicht Lieblingsstellen an, wünscht sich in diese wundersame Welt. Das Buch ist ein Andenken an ihren Vater, das einzige, das sie von ihm zurückbehalten hat.
Blue kann manchmal Realität und die Buchwelt nicht ganz auseinanderhalten. Sie wünscht sie oft in dieses verwunschene Land des mächtigen Zauberers. Blue identifiziert sich sehr mit Dorothy:
Ich bin Blue. Ich bin Dorothy. In mir spiegeln sich die menschlichen Abgründe.
Blue, wie traurig
Blue ist auch irgendwie klar, dass sie sich nicht normal verhält, sie kann und will aber auch nicht aus ihrer eigenen Welt heraus. Sie will auch keine eigenen Gefühle und Regungen. Sie reduziert sich selbst auf das Buch und den Hass auf die Menschen, die sie für ihr Unglück verantwortlich macht.
Ich vegetierte nur vor mich hin. Ich war keine Blume; ich war Unkraut im Hintergrund, das an einer Ziegelmauer emporwuchs. Mehr würde ich nie sein.
Der Vater hatte früher ein Restaurant, arbeitete viel und musste trotzdem Schulden machen. Er lieh sich das Geld von einem dubiosen Geldverleiher. Dieser übte natürlich Druck aus um es zurück zu bekommen. Deshalb die blöde Idee mit dem Bankraub. Blue macht diesen Geldverleiher James für alles verantwortlich. Sie spioniert ihn aus. Nachdem dieser auch George, den freundlichen Mann mit dem Süßwarenladen brutal zusammenschlägt, will sie nur noch eines: James muss sterben. Sie will ihn umbringen.
Auch in der Schule spricht sie nicht, wird gemobbt, gilt als zurückgeblieben. Sie lässt einfach niemanden an sich heran. Dann lernt sie Charlie kennen. Ein junger Student. Der erste Mensch, den sie nach dem Tod des Vaters an sich heran lässt.
James, der Gangster, wirkt wie die Stereotype eines Verbrechers, er ist stark überzeichnet, wirkt wie aus dem Film. Dies trifft auf einige der Protagonisten zu. Doch das passt auch wieder sehr zur überraschenden Wendung am Schluss des Buches.
Einige Szenen fand ich schon etwas sehr schräg und kann auch nicht erraten, welche Funktion sie haben. Zum Beispiel wie Blue als 11jährige eine Prostituierte in die Wohnung bestellt.
Der Zauberer von Oz
Grundkenntnisse zu „Der Zauberer von Oz“ machen Sinn um die ganzen Andeutungen auf das Buch von Lyman Frank Baum zu verstehen. Ich würde empfehlen mindestens den Film von 1939, der auch eine wichtige Rolle in diesem Buch spielt, begleitend zu sehen. Blue vergleicht zum Beispiel Menschen in ihrem Umfeld mit Figuren aus dem Märchen. Die Lektüre des Originals habe ich mir jetzt vorgenommen. Sicher ein schöner Märchenklassiker.
Zitate
Glück ist ein komisches Wort, wenn man gar nichts mehr spürt. Wie eine versunkene Insel, eine vergessene Welt, die einmal eine Bedeutung hatte.
Wenn du deine Traurigkeit überleben willst, dann lies.
Ich liebe mein Buch. Die Wörter sickern durch meine Poren, rauschen durch die Adern und kommen alle im Gehirn zusammen, wo sie ein wunderschönes Bild malen. Meine Phantasie ist wie ein Vorhang, der für Schönheit undurchlässig ist. Bis auf die Schönheit meines Buches. Das Buch ist wie die Sonne, die durch meine Vorhänge scheint.
Die Autorin
Solomonica de Winter war erst 16 als sie dieses Buch schrieb. Das ist schon recht bemerkenswert. Allerdings hat sie die Literatur schon mit der Muttermilch aufgesogen. Ihre Mutter ist Jessica Durlacher, der Vater Leon de Winter. Als sie dieses Buch schrieb wohnte die Familie in Los Angeles, jetzt lebt sie wieder in den Niederlanden.
Fazit
Das Buch ist schon sehr ausdrucksstark. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Autorin so jung ist. Es ist sicher viel Talent vorhanden und auch dieses Debüt ist bemerkenswert, wenn man einige Sätze betrachtet und die geschickte Gesamtstruktur. Ein Roman, den ich sehr gerne gelesen habe, aber aus meiner Sicht nicht überragend ist. Doch ich bin sehr gespannt, ob wir noch weitere Werke von dieser jungen Frau zu lesen bekommen. Dieses Buch kann man auch Jugendlichen, die nicht nur Mangas lesen wollen, empfehlen.