Ernest van der Kwast: Die Eismacher
Sonntag, 17. Juli 2016
Ein Buch für den Sommer?
Ach, was habe ich mich gefreut! Der Autor von „5 Viertelstunden bis zum Meer“ hat ein neues Buch herausgebracht. Leider nicht beim Mareverlag, was den Verdacht nahelegt, dass es nicht am Meer spielt.
Das Thema passt einfach perfekt zum Sommer. Es geht um eine Eismacherfamilie aus Italien. Seit es italienisches Eis gibt, schwirren die Italiener nach ganz Europa aus und verkaufen ihr selbstmachtes Eis von März bis Oktober an Fremde. Ein hartes Leben ohne Sommer. Ihr Leben findet in den Wintermonaten in Italien statt. Sie arbeiten 8 Monate, um dann 4 Monate frei zu haben. Hochzeiten finden im Winter statt, Kinder werden nur im Winter gezeugt, gelebt wird im Winter.
Eismacher weinen nicht, sie schwitzen. Sie leiden, sie haben keinen Sommer, sie haben kein Leben.
Inhalt
Giovanni erzählt uns die Geschichte seiner Familie. Sein Ur-, Urgroßvater begann als junger Mann, Eis herzustellen. Damals noch eine sehr aufwendige Arbeit. Das Eis musste aus den hohen Bergen geholt werden, zu Hause im Keller mit Früchten und Sahne vermengt werden und dann direkt auf der Straße verkauft werden.
Zu Giovannis Zeiten ist alles etwas einfacher. Er wächst mit seinem Bruder Luca in Rotterdam auf, wo seine Eltern ein Eiscafé besitzen. Im Winter fahren sie in ihre italienische Heimat. Als sie schulpflichtig werden, gehen sie wie alle Kinder aus Eismacherfamilien in Italien ins Internat. Den Sommer verbringen sie dann wieder bei den Eltern und helfen im Geschäft mit. Für die Eltern ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Jungs auch Eismacher werden. Giovanni, der ältere der Brüder, lernt auf der Terrasse einen belesenen Gast näher kennen, der in ihm die Liebe zur Lyrik entfacht. Giovanni setzt sich gegen seine Eltern durch und studiert. Später arbeitet er in einem Verlag und kümmert sich um Gedichtbände und deren Autoren. Er übernimmt immer mehr Aufgaben und reist durch die Welt zu diversen Poetry Festivals.
Sein Bruder Luca hat nun keine Wahl mehr. Er muss die Eisdiele übernehmen. Sein Vater und er machen Giovanni lebenslang Vorwürfe deswegen. Eine Eisdiele ist ein Familienunternehmen und es ist die Pflicht jedes Einzelnen, das Geschäft weiterzuführen. Das lassen sie Giovanni immer spüren.
Mein Vater sprach mit mir, aber in allem, was er sagte, schwang laut die Hoffnung mit, dass ich mich eines Tages wieder zum Eis bekehren würde. Ich war vom Weg abgekommen, und ihm kam es zu, mich zu der Einsicht zu bringen, dass ich die falsche Entscheidung getroffen hatte.
Neben den reinen Familiengeschichten wird viel aus Giovannis beruflichem Leben erzählt. Wie er zur Lyrik kommt, von seinem Job und besonders intensiv erzählt er von vielen Auslandsreisen, bei denen er Dichter trifft. Erstaunlicherweise empfinde ich diesen Teil des Buches als langweilig. Mir sind diese Passagen zu lang und nichtssagend. Vielleicht liegt es an meinem mangelndem Interesse an Lyrik?
Werbung auf dem Buchrücken
Die Werbung auf dem Buchrücken verspricht ein poetisches Buch, „eine Liebeserklärung an das Leben“. Das empfinde ich leider gar nicht so. Das Leben der Eismacher wird im Buch überhaupt nicht romantisiert. Es ist ein Knochenjob, der den Körper auf Dauer kaputt macht. Wenn ich ehrlich bin, vergeht mir beim Lesen ein wenig die Lust auf Eis. So stehe ich mit dem fröhlichen Cover etwas auf Kriegsfuss.
Leider kann das Buch meiner Meinung nach nicht an den Erfolg seines Vorgängers anknüpfen. Weder sprachlich noch inhaltlich. Die Sprache ist nicht sehr poetisch.
Lieblingszitat:
Wir wollen so viel an die nächste Generation weitergeben, Eis, Poesie, Werkzeug. Eine bestimmte Lebensweise. Nichts will man verloren gehen lassen, weil man sich sonst selbst infrage stellen müsste
Fazit
Mir hat das Thema des Buches wirklich gut gefallen. Es ist schön, einmal hinter die Kulissen einer Eismacherfamilie zu schauen. Als Kind habe ich mich immer gefragt, wie das geht. Im Sommer arbeiten und im Winter nach Hause in die Heimat fahren.
Die Geschichte des Eises gefiel mir sehr, viele andere Passagen im Buch eher nicht. Insgesamt kann ich es nur als durchschnittlich einstufen und allen nur empfehlen, den Vorgänger zu lesen. Und auch wenn es um Eis geht, ist dieses Buch kein fröhliches Buch. Die Grundstimmung des Buches habe ich als traurig empfunden. Schließlich ist da immer von viel Arbeit die Rede und von Menschen, die in den Job des Eismachers hineingeboren werden, die meisten machen es nicht aus Überzeugung.
Ernest van der Kwast, Die Eismacher, ISBN: 978-3-442-75680-3, Verlag btb