Interview mit David Misch
Mittwoch, 23. Dezember 2020
Fünf Fragen an einen Debütautor
David Misch gehört zu den fünf Autoren, die auf der Shortlist für den Bloggerpreis für das beste Debüt 2020 vom Blog Das Debüt stehen. Eine Rezension seines Romans Schatten über den Brettern habe ich bereits veröffentlicht. Eine anspruchsvolle, gesellschaftskritische Dystopie, die auch einen Blick in ein bestimmtes Theatergenre erlaubt. David war so nett mir fünf Fragen zu beantworten. Doch zuerst ein paar Dinge über den Autor
David Misch
Der Österreicher wurde 1985 geboren und lebt mit Familie in der schönen Steiermark. Zur Zeit des Interviews erwarteten er und seine Frau das dritte Kind.
Der Geowissenschaftler arbeitet an einer Universität und hat auch schon zwei Sachbücher veröffentlicht, die allerdings nicht mit seinem Berufsfeld zu tun haben, sondern mit seinem Hobby. Solange man Extremsport noch als Hobby bezeichnen kann. Ich fahre ja auch schon mal Rennrad und bin dieses Jahr auf meine geschafften 3500 km sehr stolz. Doch David hat zum Beispiel schon sehr erfolgreich am Race Across America teilgenommen. Dabei sprechen wir von einer Strecke mit knapp 5000 km und unglaublichen 52000 Höhenmetern. Diese Strecke muss in 9 Tagen absolviert werden. Doch ich schweife ab. Wer mehr dazu wissen möchte, der möge sein Buch Randonnée lesen. Ich kaufe es mir lieber nicht, sonst kommt mein Mann noch auf seltsame Gedanken.
Deshalb lasse ich jetzt David zu Wort kommen.
Der Weg dorthin
Wie bist du ans Schreiben gekommen?
David Misch: Tief verankert wurde die Liebe zu Büchern sicher durch das üppig gefüllte Bücherregal im Elternhaus – der Fischer Weltalmanach, kiloschwere Astronomieatlanten, die Klassiker in Reclamausgabe. Allerlei abgegriffene Taschenbücher, jedes einzelne ein reizvolles Fragezeichen. Literaturwissenschaften und technische Mathematik, das waren meine ersten, romantischen Studiensehnsüchte, bis sich die Naturwissenschaften und ehrlicherweise auch Gedanken an Jobsicherheit und die Freiheit, die einem ein geregeltes Einkommen beschert, durchgesetzt haben. Heute liebe ich meinen Forschungsjob als Geowissenschaftler, doch die Literaturleidenschaft hat sich nie gelegt. Irgendwann hat sich dann mit meinen ersten beiden Büchern Randonnée und Intensität, beide motiviert durch meine sportliche Vergangenheit, die Möglichkeit ergeben, auf zwei Hochzeiten zu tanzen. Die erfolgreiche Veröffentlichung dieser Werke hat mir auch das Selbstvertrauen gegeben, mich an meinem ersten Roman Schatten über den Brettern zu versuchen. Dafür brauchte es natürlich den richtigen Antrieb, in meinem Fall die politischen Verhältnisse, die sich in großen Teilen Europas – leider auch in meiner Heimat Österreich – in den letzten Jahren gelinde gesagt fragwürdig entwickelten. Dagegen wollte ich meine – natürlich kaum hörbare – Stimme als Bürger eines mit Wohlstand gesegneten Landes, das Teile seiner Geschichte zu vergessen scheint, erheben.
Dauer
Wie lange hast du an deinem Debütroman gearbeitet?
David Misch: Was die reine Schreibarbeit angeht, erstaunlich kurz, ein paar Monate und davon vielleicht zwei wirklich intensiv, in denen ich mir mehrere Wochen Urlaub vom Job nehmen konnte. Der Weg vom Lesen und Sehen zum Schreiben führt natürlich über das ständige Darüber-Nachdenken; das tue ich pausenlos, führe endlose Diskussionen mit mir selbst auf dem Fahrrad oder beim Laufen und packe erlebte Episoden in geistige Schubladen, um sie später herauszuziehen und literarisch zu verarbeiten. Ich muss gestehen, dass bei mir der Schreibprozess nicht dem romantischen Hollywood-Klischee vom tagelangen, ungestörten Sinnieren im Coffeeshop mit verträumtem Blick auf den verschneiten Central Park entspricht. Ich schreibe – gezwungenermaßen, weil die Alternative wäre, es gar nicht tun zu können – auf Beifahrersitzen, zwischendurch am Badesee, ein-, zweihundert schnelle Wörter in der Mittagspause, oder an Wochenenden bis spät nachts, auch wenn Couch und Bett unwiderstehlich rufen. Da hilft mir vielleicht auch mein sportlicher Werdegang, dem inneren Schweinehund schon öfters gegenübergestanden zu sein. Nachteil ist natürlich, dass der ein oder andere Durchgang des Ausfeilens aus Zeitgründen wegfällt, daher bin ich meinen Lektoren sehr dankbar für ihre gute Arbeit, die mir als Autor Sicherheit gibt.
Verlagssuche
Wie hast du deinen Verlag gefunden?
David Misch: Aus der Erfahrung zweier vorangegangener Bücher war mir klar, dass Blindbewerbungen wenig Sinn machen und besser zuvor ein wenig Recherchearbeit investiert werden sollte. Ich habe also mögliche Indie-Verlage, denen ich Interesse an einem schwer verdaulichen Manuskript abseits des Mainstreams und mit nicht zu verleugnender politischer Kontroverse gedanklich zugetraut habe, gegoogelt und mir die Verlagsprogramme genauer angesehen. Duotincta ist hängengeblieben und hat auch prompt auf mein Exposé geantwortet. Binnen weniger Wochen hatte ich eine Einschätzung zum Text und sehr freundlichen Kontakt zu Ansgar Köb, einem der Verleger und meinem derzeitigen Lektor. Danach hat es sich günstig ergeben, dass ich auf der Buchquartier 2018 in Wien lesen konnte und dort duotincta ebenfalls vertreten war – das persönliche Treffen mit Ansgar und einigen der Autoren hat sofort jeden Zweifel ausgeräumt. Es passt wie die Faust aufs Auge und ich freue mich über die Shortlist-Nominierung nicht zuletzt auch für das engagierte Verlagsteam, da breitere Außenwirkung im umkämpften Buchmarkt abseits der großen Marketingbudgets nur schwer zu erzielen ist.
Tipps
Hast du einen Tipp für andere Jungautor*innen?
David Misch: Das kommt auf die Zieldefinition an – ich hatte ja bislang keinen ernsthaften kommerziellen Erfolg, da gäbe es also bessere Ratgeber. Definitiv kann ich jedem nur nahelegen, sich Klarheit über die eigenen Motive zu verschaffen. Ich habe das Privileg, nicht vom Schreiben leben zu müssen, kann mich daher frei entfalten und habe das mit dem ersten Romanmanuskript auch getan. Im Schreibstil, in der Wahl durcheinandergewürfelter Erzählperspektiven, im Weglassen von Namen und gefälligen Dialogen, die den Text süffiger gemacht hätten. In der Betonung der Reflexions- gegenüber der Handlungsebene. Sicher die ein oder andere Todsünde in Bezug auf die zu erreichenden Leser, aber das war eben, was mir ästhetisch vorschwebte und ich bin zufrieden mit dem Endergebnis.
Zukunft
Wie sehen deine literarischen Pläne für 2021 aus?
David Misch: Wenn alles nach Plan läuft, soll im Sommer 2021 der Erzählungsband Außen*Innen bei duotincta erscheinen. Besonders am Herzen liegt mir mein ebenso schon als Rohentwurf vorliegender, zweiter Roman Zentalfriedhof, Ehrengrab – eine Milieustudie aus dem Wiener Gemeindebau der Neunziger, die voraussichtlich 2022 herauskommen wird. Diese Geschichte hat mir unwahrscheinlich Spaß gemacht, da ich viele Jugenderinnerungen verarbeiten konnte. Außerdem wird es Wiener Dialekt zu lesen geben, und überhaupt einen weit humorvolleren und weniger düsteren, damit vermutlich massentauglicheren Text im Vergleich zu Schatten über den Brettern, wenngleich es wieder um die überspitzte Darstellung sozialer Klischees und gesellschaftlicher Entwicklungen geht. Vergleicht man die Großstadt Wien von vor dreißig Jahren mit der heutigen, löst sich das populistische Weltbild der sich konstant verschlechternden Verhältnisse rasch in heißer Luft auf. Spannend auch, sich mit den persönlichen, stetig unschärfer werdenden Erinnerungen auseinanderzusetzen und im Schreiben lange Vergrabenes wiederzufinden.
Danke
Ich danke David Misch für diese Einblicke in sein Autorenleben. Auch ich schätze die Mitarbeiter von duotincta für ihr Engagement und ihre verlegerische Arbeit. Den oben erwähnten Ansgar Köb konnte ich schon mehrmals persönlich treffen. Wenn wieder die Buchmesse in Leipzig stattfinden kann, solltet ihr den Stand dieses Verlags unbedingt besuchen.
Ich wünsche David Misch und dem Team des Verlages viel Erfolg mit dem Buch und natürlich beim Debütpreis.
Debütpreis
Der Roman Schatten über den Brettern von David Misch steht auf der Shortlist für den Bloggerpreis für das beste Debüt des Jahres 2020, ausgelobt vom Blog Das Debüt.
Ich darf in der Jury mitwirken.
Die anderen Bücher der Shortlist:
Wir verlassenen Kinder von Lucia Leidenfrost
Hawaii von Cihan Acar
Elijas Lied von Amanda Lasker-Berlin
Streulicht von Deniz Ohde
Wenn du Lust auf mehr Debütromane hast, empfehle ich dir in der Liste der eingereichten Debütromane zu blättern.
2019 gewann übrigens Nadine Schneider mit ihrem Roman Drei Kilometer.