Peter Henning: Die Chronik des verpassten Glücks
Freitag, 21. August 2015
Selten ist mir ein Titel passender vorgekommen!
Alle vier Protagonisten haben ihrer Meinung nach im Leben nicht viel Glück gehabt.
Es geht um den Deutschen Richard Warlo und die Polen Oliwia, Marcin und Lucyna. Warlo entdeckt in seinem Keller zufälligerweise alte Fotos vom verstorbenen Pawel. Pawel war für ihn wie ein Vater, zu dem er aufsehen konnte und der ihm eine schöne Kindheit geschenkt hat. Und nun entdeckt er Fotos von dem Polen Pawel in Naziuniform. Die Bilder lassen ihn nicht los und so reist er nach Polen, um zu recherchieren. Dort trifft er auf Pawels Frau, die früh verlassen wurde, sowie seine leiblichen Kinder, die er gar nicht kennt.
Oliwia, Pawels Ehefrau, liegt im Sterben und sinniert über ihr Leben. Marcin ist eine verkrachte Existenz, hat ständig Geldnöte und vermisst seinen Vater auch nach fast 50 Jahren Trennung immer noch jeden Tag. Ihm gibt er die Schuld an seinem missglückten Leben. Lucyna lebt seit der Scheidung von ihrem Mann alleine mit ihrem geliebten Sohn und tut sich schwer mit Männern. Die Schuld daran gibt sie ihrem Vater, der sie verlassen hat, als sie klein war.
Für den Leser sind die gefundenen Fotos von Pawel eine interessante Ausgangssituation. Was ist damals passiert? Warum trägt ein Pole im zweiten Weltkrieg Naziuniform? Man kann sich Warlo vorstellen, wie er ungläubig auf die Fotos schaut. Und als Leser denkt man nun an eine interessante Reise nach Polen, die im Zeichen von neuen Erkenntnissen und Offenbarungen steht.
Leider ist dem nicht so! Die einzelnen kurzen Abschnitte, in denen die Protagonisten sich Gedanken machen über ihr Leben, entwickeln sich nicht so, wie der Leser es erwartet. Die Aufkärung von Pawels Fotos spielt eine sehr untergeordnete Rolle. Dafür lamentieren die Protagonisten stundenlang über ihr verpasstes Glück. Ab der Mitte des Buches möchte der Leser alle (bis auf die todkranke Oliwia) einmal rütteln und ihnen den Rat geben, ihr Leben nun mal endlich selbst in die Hand zu nehmen und nicht ständig anderen die Schuld dafür zu geben.
Die Sprache des Autors gefiel mir sehr. Leider reichte das nicht, um bis zum Schluss gerne zu lesen. Die ewigen Wiederholungen reichten irgendwann. Aufgefallen sind auch einige Unstimmigkeiten. Ist die Kommunikation aufgrund der beiden Sprachen anfangs ein großes Problem, wird darauf später gar nicht mehr eingegangen.
Lediglich die Figur der sterbenden Oliwia hat mir sehr gut gefallen. Dieser Charakter ist dem Autor hervorragend gelungen. Er hat das langsame Sterben sehr überzeugend rüberbringen können.
Schade, ich hatte mich auf das Buch gefreut, es birgt eine Menge Potenzial, die der Autor leider nicht gut umgesetzt hat.
Peter Henning, Die Chronik des verpassten Glücks, 448 Seiten, ISBN: 978-3-630-87446-3, € 19,99
Verlag: Luchterhand Literaturverlag