Rezension: Bevor wir verschwinden
Montag, 31. Dezember 2018
Debütroman von David Fuchs
Benjamin durchläuft im Medizinstudium verschiedene Stationen im Krankenhaus. Jetzt ist die Onkologie dran. Einer der Patienten ist Ambros. Sein Exfreund. Wie gehen die beiden mit dieser Wiederbegegnung um? Der eine ein angehender Arzt, der andere im Sterben liegend?
Tod
Als angehender Arzt muss man auch lernen mit dem Tod umzugehen. Nicht jeder kann geheilt werden. Viele sterben, es geht nur noch darum den Rest des Lebens für den Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten. Noch ein paar Wünsche zu erfüllen, Schmerzen vermeiden. Schwierig genug für einen noch recht jungen Menschen. Doch wenn man zum Patienten auch noch eine enge persönliche Beziehung hat, wir das noch schwieriger. Manchmal frage ich mich, ob Benjamin der Ernst des Zustandes von Ambros überhaupt erkennt, oder als real hinnimmt.
Tierversuche
Neben der Arbeit auf der Station verdient sich Benjamin ein Zusatzgeld mit der nächtlichen Überwachung von Schweinen, die in ein künstliches Koma gelegt wurden. Irgendwie hat Benjamin zu diesen tierischen Patienten ein engeres Verhältnis als zu Menschen. Er gibt ihnen Namen und kümmert sich sehr um sie.
Mein Eindruck ist, dass er die Pflege für die Tiere ernster nimmt als die menschlichen Patienten.
Ambros liegt im Sterben, doch ist Benjamin wirklich lebendig? Was macht sein Leben aus? Was macht seine Existenz für ihn selbst lebenswert?
Vielleicht kann er sein Leben nicht wirklich genießen, da er seine Homosexualität nicht voll auslebt? Wenn ich drüber nachdenke, gibt es wenig Informationen was Benjamin mit seinem Leben so macht, außerhalb des Krankenhauses. Mit Ambros hatte er in der Schulzeit seine erste sexuelle Erfahrung
Ambros Wegener heißt wie eine Krankheit und schmeckt überallein wenig salzig, außer auf den Lippen.
Jugendzeit
Sehr gut gefielen mir die Erzählungen aus der Schulzeit, als Ambros und Benjamin sich kennenlernten und sich auch näher kamen. Klassenfahrt, Schule, Feten. Allerdings werden die Episoden nicht lang ausgemalt. Alles bleibt eher kurz und knapp, hat der Roman ja auch nur ca. 200 Seiten. Da David Fuchs nur ein paar Jahre jünger ist als ich, kamen natürlich bei mir auch Erinnerungen an meine eigene Schulzeit und die Abschlussfahrt hoch. Tolle Zeit war das!
Die Anfänge des Internet. Ein anderer Kumpel aus der Schule lädt für seine Mitschüler Bilder herunter, brennt sie auf CD und verkauft sie teuer. Davon ist Ambros fasziniert. Auch später, also in der Gegenwart des Buches ist fotografische Kunst sein Leben.
Fotokunst
Ambros hat Gegenstände aus seiner Wohnung fotografiert und sie danach weg gegeben. Damit möchte er das Verschwinden dokumentieren. Dadurch setzt er sich mit seinem hoffnungslosen Gesundheitszustand auseinander und bereitet sich auch aufseinen eigenen Tod vor.
Er überlegt kurz und sagt, es gehe um die Abwesenheit. Um den Moment, sagt er, vor dem Verschwinden. Alles Mögliche verschwindet und allemöglichen Leute. Dauernd verschwindet irgendwas oder irgendjemand. Ich fotografiere Dinge, bevor sie verschwinden… Ich will den Moment vor dem Verschwinden festhalten, also nicht das Ding, das verschwindet, sondern den Zeitpunkt.
Der Autor
2016 gewann Fuchs mit einer Kurzgeschichte um Benjamin und Ambros den PreisWortlaut (Kurzgeschichtenwettbewerb des österreichischen Radiosenders FM4). Daraus hat sich dieser Roman entwickelt.
Fuchs lebt und arbeitet in Linz.
David Fuchs ist selbst Mediziner. Fachrichtung Onkologie und Palliativmedizin. Für mich die härteste Fachrichtung. Es geht nicht mehr um Heilung, sondern um Verringerung von Leiden. Das Buch ist natürlich auch von seinem Arbeitsalltag inspiriert. Doch nie empfand ich den Roman als rührselig oder zu hart. Einfühlsam, aber trotzdem eine gewisse Distanz haltend. So ist der Tod für die Außenstehenden erträglich.
Fazit
Ein einfühlsames, zum Teil auch ruppiges Buch, das sich mit Liebe und Tod auseinandersetzt. Traurig, manchmal lustig. Nicht rührselig. Starke Geschichte.
Bloggerpreis
Der Blog Das Debüt lobt alljährlich einen Preis für das beste deutschsprachige Debüt aus. Die Jury besteht aus Bloggern.
Es gibt eine Liste mit eingereichten Titeln, auf der sich viele interessante Titel finden lassen. Davon haben es fünf Romane auf die Shortlist geschafft. Bevor wir verschwinden aus dem Haymon Verlag ist einer davon.
Ausserdem stehen auf der Liste Nichts, was uns passiert, Alles was glänzt, Orchis und Der letzte Huelsenbeck.
Alle teilnehmenden Blogs sind hier zu sehen.
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