Das Zimmer – Arbeit im Grossraumbüro
Mittwoch, 24. Mai 2017
Leben, arbeiten und sterben im Großraumbüro
Seit 30 Jahren bin ich schon im Berufsleben. Und die ganze Zeit hatte ich noch nie ein Büro für mich. Ich habe immer im Großraumbüro gearbeitet. Und damit meine ich wirklich groß. Im Moment sind wir ca. 120 Kollegen auf der Etage. Alle in einem einzigen Raum. Bei uns im Haus gibt es noch größere Büros. Wir haben auf einer Etage den größten Büroraum Deutschlands.
So schlimm ist das aber gar nicht. Eigentlich arbeite ich gerne in dieser großen Gemeinschaft. Wir arbeiten fast immer im Team, wenn alle zusammen sitzen bekommt man viel mit. Die soziale Komponente ist auch nicht zu verachten. Ich muss nicht nur mit ein oder zwei Kollegen klar kommen, sondern mit vielen. Kollegen ohne Sozialkompetenz gehen hier unter. Und hier setzt auch das Buch „Das Zimmer“ an.
Björn hat einen neuen Job in einer anderen Behörde. Björn muss ein ganz toller Hecht sein, so wie er im Buch über sich selbst denkt. Die Kollegen sind da eher höchstens Mittelmaß. Und das lässt er alle auch ständig spüren.
Anfang bemühen sie die Kollegen noch um ihn, doch seine schroffe, geradezu unhöfliche Art, lässt sie zurückschrecken. So fühlt sich Björn nicht gerade wohl, obwohl sein Ziel ist, die Abteilung in kurzer Zeit selbst zu übernehmen!
Das Zimmer
Da entdeckt er in der Nähe der Toiletten eine Tür. Kein Schild daran.
Er öffnet die Tür und findet dahinter ein kleines Zimmer, ein voll eingerichtetes Büro. Wem es wohl gehört? Dort herrscht perfekte Ordnung. Und Ruhe. Ein schönes Büro! Ein Ort, in dem sich Björn vollkommen wohl fühlt.
Mir war, als sollte ich in das Zimmer gehen.
Es gibt nur ein Problem: Björn ist der einzige, der dieses Zimmer sehen kann. Für die Kollegen geht er einfach in eine Ecke und bleibt dort seltsam lächelnd lange stehen.
Die Kollegen revoltieren gegen diesen unfreundlichen, anscheinend total durchgeknallten Kollegen.
Bis er eines Nachts in dem kleinen Zimmer die Arbeit eines Kollegen erledigt. Und das zur vollsten Zufriedenheit der Vorgesetzten. Das Zimmer inspiriert ihn. Vom totalen Aussenseiter, der nur Hilfsarbeiten zugeteilt bekommt, wird er zum Retter der Abteilung.
Meine Meinung
Was sich anhört wie eine leicht skurrile Geschichte im Sinne von Stromberg, erwächst zu einem psychologischen Verwirrspiel a la Kafka oder Beckett.
Dieser kurze Roman hat viele Stärken. Die verschiedenen Kollegen werden glasklar als mir sehr bekannte Typen dargestellt. Auch die Gruppendynamik mit sich ändernden Meinungen und Stimmungen ist gut getroffen. Es gibt typische Situation, wie zum Beispiel eine Abteilungsfeier, Teambesprechungen, Kaffeepausen. In den Hauptdarsteller Björn konnte ich mich nicht hineinversetzen. Was beruhigend ist.
Musste ich am Anfang noch oft grinsen, so verging mir das Lächeln im Laufe des Buches, wenn die psychologischen Probleme immer stärker zutage treten. Dabei ist Björn anscheinend nur auf der Suche nach einer heilen Welt. Eine Welt, in der alles seine Ordnung hat und in der er ungestört von anderen Menschen, die seinen Ansprüchen sowieso nicht genügen, in Ruhe leben kann.
Fazit
Das Zimmer beschreibt die Bürowelt treffend und seziert sie aus der Sicht eines sehr ungewöhnlichen Protagonisten. Es bietet viel Spielraum zu Diskussionen (Lesekreis ich komme) und überrascht mit einem (für mich) nicht absehbaren Ende. Eine ironische Suche nach dem Glück.
Dank
Vielen Dank an meine Tochter, die mir dieses Buch zum Geburtstag schenkte. Du hast eine gute Wahl getroffen!
Biblio
in einer Übersetzung von Paul Berf
Luchterhand Literaturverlag, 176 Seiten, ISBN: 978-3-630-87460-9, € 17,99 [D]
Hallo Silvia,
Der Anfang hat mich etwas verwirrt, ich dachte erst, das gehört zum Buch. 120 Kollegen in einem Raum, das finde ich ehrlich gesagt furchtbar. Aber wahrscheinlich hat deine Tochter dir deshalb das Buch geschenkt.
Die Rezi hat mich total angesprochen, eine kafkaeske Situation. Ich hab das Buch auf meine Warteschlange getan. Eine Geschichte, die sich völlig im Beruf abspielt hab ich glaub ich noch gar nicht gelesen. Und dann so eine verwirrende Zimmertür… Auch das man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll und die ganze skurrile Situation, spricht mich sehr an.
Deine Rezension hab ich auch auf meiner Wanderung durch die Welt der Bücherblogs verlinkt.
Grüße
Daniela
Hallo Daniela,
das Großraumbüro ist für mich so selbstverständlich, dass ich eher Probleme in kleinen Büros bekomme.
Danke für deine Verlinkung!
Alles Gute
Silvia
Danke für Deine schöne und aussagekräftige Rezension. Ich bin schon häufig auf dieses Buch aufmerksam geworden, aber nun ist es auf meiner Wunschliste weit nach oben gerückt.
Liebe Grüße
Claudia
Danke, liebe Claudia.
ich empfinde es als äußerst lesenswert.
Alles Gute
Silvia
Eine tolle Rezension. Das Buch kannte ich bis dahin noch gar nicht, du hast mich aber neugierig darauf gemacht. Ich habe während meiner Ausbildung auch in einem Großraumbüro gearbeitet. Finde ich auch nicht weiter schlimm, weil es mir leicht fällt auf andere zuzugehen und ich sehr offen und kommunikativ bin. Einzig die Geräuschekulisse ist da manchmal etwas unangenehmer. Wenn so viele auf einen Haufen kommen, dann wird es nun mal lauter, als in einem Büro das sich nur 2-3 Mitarbeiter teilen.
Danke auch für dein liebes Kommentar.
Kann ich aber nachvollziehen. Ich hoffe es stört dich jetzt nicht, wenn ich etwas Eigenwerbung mache, denn ich habe vor Kurzem einen Vergleich zwischen Netflix und Amazon online gebracht, den ich immer aktualisiere. Dort gehe ich aber nicht nur auf die Grundlegenden Fakten, sondern auch auf Inhalt, Technik und Oberfläche ein. Vielleicht hilft er dir ja weiter bei deiner Wahl:
http://www.smalltownadventure.net/2016/05/amazon-prime-vs-netflix.html
Von Orange is the new Black höre ich ja auch viel Gutes, weshalb das schon auf meiner Watchliste steht. Ist eigentlich nicht unbedingt mein Genre, aber vielleicht überzeugt es mich ja. Wünsche dir mit der neuen Staffel viel Spaß.
Ich bin echt froh über das #litnetzwerk auf deinen Blog gestossen zu sein, da ich immer für fundierte Serientipps zu haben bin.
Danke für den Link
Silvia