Chris Cander: Das Gewicht eines Pianos
Mittwoch, 3. April 2019

Rezension des Hörbuchs mit Julia Nachtmann
Ein Klavier, zwei Frauen und Dreiecksbeziehungen sind die zentralen Punkte dieses Romans, der sich von den 1960iger Jahren in Russland bis ins heutige Kalifornien erstreckt. Alles ist miteinander verbunden und findet einen spektakulären Abschluss im Death Valley.
Story
Katya wächst in Russland auf, lebt in einer unglücklichen
Ehe und kann nicht wie geplant als Pianistin auftreten, weil ihr Mann auf einer
Emigration in die USA besteht. Ihr geliebtes Blüthner Klavier kann sie nicht
mitnehmen.
Die Automechanikerin Clara hat Bindungsängste. Das hängt wahrscheinlich damit
zusammen, dass ihre Eltern früh durch einen verheerenden Brand ums Leben
gekommen sind. Alles was ihr geblieben ist, ist ein altes Klavier. Ein
Blüthner, der zur Zeit des Brandes in Reparatur war. Dessen Gewicht bekommt sie
bei einem Umzug zu spüren: sie bricht sich das Handgelenk. Spontan überlegt
sie, das Klavier zu verkaufen und bietet es kurzerhand im Internet an. Ein
Fotograf kauft es. Er möchte damit spektakuläre Bilder im Death Valley machen.
Clara fährt kurz entschlossen dem LKW mit ihrem Klavier, von dem sie sich doch
nicht mehr trennen möchte, hinterher.
Death Valley
Ich selbst war noch nie dort, doch die Beschreibungen dieser abwechslungsreichen Wüstenlandschaft bringt schon viel Fernweh in mir auf. Der Nationalpark liegt im Südosten der USA in den Bundesstaaten Kalifornien und Nevada und ist Teil eines UNESCO-Biosphärenreservates. Dazu gehört zum Beispiel das Badwater-Basin mit dem tiefsten Punkt der USA (ca. 85,5 Meter unter dem Meeresspiegel). Einen tollen Überblick darüber gibt es von Dante`s View einem bekannten Aussichtspunkt über das Tal des Todes. Unbekannt waren für mich die wandernden Felsen. Diese werden auch mehrmals im Buch erwähnt.

Die Geschichte eines Klaviers
In diesem Roman geht es bei dem Gewicht des Klaviers nicht nur um das welches eine Waage anzeigen kann, sondern vor allem um den übertragenen Sinn. So ein Traditionsklavier hat eine individuelle Geschichte und mit eventuellen Vorbesitzern auch einiges mitgemacht. Im Buch wird am Ende darüber nachgedacht, das der Nachklang aller Stücke, die auf einem Klavier gespielt werden, das Gewicht desselben immer weiter erhöht. Ein schöner Gedanke. Vor allem als der Blüthner aus dem Roman in meinem Lieblingskapitel selbst zu Wort kommt und sich an die Stücke und die Pianisten erinnert, die es zum Klingen brachten. Die Idee, einen Roman anhand der Geschichte eines einzelnen Klaviers aufzuhängen, ist für mich sehr faszinierend. Es gibt Pianisten, die immer mit ihrem eigenen Flügel reisen. Was hätte sein Instrument alles zu erzählen? Wie würde es die Menschen sehen, die auf ihm spielen? Wie die Konzerträume und das Publikum beurteilen?
Gewicht eines Pianos
Das Gewicht des Klaviers im Roman wird mit 280 Kilo angegeben. Ein Flügel kann auch schon mal 600 Kilogramm wiegen. Ein Umzug mit Klavier sollte also gut geplant werden und am besten von Spezialisten vorgenommen werden.
Wie im Buch mehrfach erwähnt, muss ein Klavier regelmäßig gestimmt werden. Vor allem nach einem Ortswechsel. Deshalb kommt ein Klavierstimmer auch immer zum Klavier. Bei Konzerten konnte ich in der Pause schon mal sehen, das noch eilig auf der Bühne nachgestimmt wurde.
Doch auch finanziell sind gute Klaviere kein Leichtgewicht. Bei einem Flügel ist man schnell beim Preis eines Autos. Im Gegensatz zu diesen haben hochwertige Klaviere kaum Wertverlust. Insbesondere Flügel kann man als Geldanlage auffassen.

Blüthner
In der Klavierwelt kennt man diesen Namen für sehr hochwertige Klaviere. Gegründet wurde die Firma 1953 von Julius Blüthner. Zuerst waren alle Klaviere Einzelstücke. So auch das Piano in diesem Buch, das 1905 hergestellt wurde. Auch jetzt gibt es noch die Blüthner Klavierfabrik in Leipzig, wo schon immer der Stammsitz der Firma war.
Autorin
Das Gewicht eines Pianos ist der dritte Roman der US-amerikanischen Autorin Chris Cander. Auch in den anderen beiden Büchern „11 Stories“ und „Whisper Hollow“ verknüpft sie die Geschichten verschiedener Menschen miteinander. Meines Wissens ist „The Weight of a Piano“ der erste ins Deutsche übersetzte Roman. Sie lebt mit ihrer Familie in Houston (Texas) und schreibt auch Kinderbücher, Artikel und Theaterstücke.
Von ihr sind auch die tollen Fotos des kleinen Minipianos im Death Valley. Nachdem ich diese Bilder in einem Zeitungsartikel über sie sah, fragte ich sie kurzerhand per Mail, ob ich diese im Post zeigen dürfte. Noch am selben Tag sandte sie mir die Bilder. Vielen Dank nochmal!
Dabei fragte ich Chris Cander auch gleich, ob sie denn selbst Klavier spielen würde. Hier ihre Antwort:
I don’t play the piano. I took lessons for about six months when I was eleven but I didn’t have an aptitude for it and quit. Now I wish I’d tried harder!
So geht es mir auch. Als Jugendliche hatte ich keine Lust immer zu üben. Einen zweiten Versuch startete ich nach meinem 40. Geburtstag. Jetzt war ich motiviert, hatte aber viel zu wenig Zeit. Ich wünsche ich hätte meine Prioritäten anders gesetzt!

Sprecherin
Die Schauspielerin Julia Nachtmann gehörte viele Jahre zum Ensemble des Hamburger Schauspielhauses. Außerdem spielte sie in zahlreichen Fernsehserien und einigen Filmen mit. Auch als Hörbuchsprecherin ist sie recht erfolgreich. Mir ist sie vor allem als Sprecherin der Krimiserie von Nele Neuhaus (letzter Band Muttertag) bekannt. Eine Hörprobe findet sich auch auf der Verlagsseite. Ich konnte mich in ihrer Interpretation gut wiederfinden, vor allem in den Passagen aus Claras Sicht.
Das Hörbuch
Bei dem Hörbuch handelt es sich um eine bearbeitete Fassung der Originalübersetzung des Romans „Das Gewicht eines Klaviers“. Es umfasst sechs CDs und geht über 462 Minuten. Obwohl das Buch verschiedene Zeiten und Erzählebenen umfasst, fiel es mir nie schwer mich zu orientieren. Ab und zu sind kurze Klaviermusik-Einspielungen enthalten. Schade, dass das im Roman so oft erwähnte Stück von Skrijabin nicht mal ganz gespielt wird. Das wäre eine schöne Ergänzung gewesen.
Musik
Zentrales Musikstück des Romans ist das kurze Prélude Nr. 14 in Es-Moll von Alexander Skrjabin. Der russische Komponist komponierte es in einer Sammlung von Préludes Ende des 16. Jahrhunderts. Es dauert nur ca. eine Minute. Ihr könnt also ruhig ein wenig Zeit investieren und diese Einspielung von Tatiana Orlova anhören. Auch Laien wird schnell klar, dass es sich hierbei um ein recht anspruchsvolles Stück handelt, und ein Pianist schon sehr weit fortgeschritten sein muss um es auch nur ansatzweise im vorgeschriebenen Tempo spielen zu können.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann sich hier auch noch eine Einspielung der ebenfalls im Buch erwähnten von Sonate Nr. 24 Fis-Dur op. 78 von Ludwig van Beethoven anhören. Dafür muss man aber ca. 1 Minuten investieren. Das Stück ist recht bekannt unter dem Namen À Thérèse. Gespielt wird es in dem Clip von Daniel Barenboim. Zitat dazu aus dem Buch
Das Stück enthielt so viele Kreuze, dass man damit einen ganzen Friedhof hätte füllen können.
Selbst wenn ich später nochmal mit dem Klavierspiel beginnen werde, werde ich auch dieses Stück niemals spielen können.
Weitere Bücher mit Klavierbegleitung
Lea Singer: Der Klavierschüler
James Rhodes: Der Klang der Wut
Anne von Canal: Der Grund
Fazit
Das Gewicht eines Pianos ist ein gefühlvoller und dramatischer Roman über die Geschichte eines Klaviers und der Menschen, die es besitzen. Er enthält viele Anspielungen auf klassische Klaviermusik, was ich sehr schätze. Die Hörbuchfassung wurde sehr gelungen von Julia Nachtmann interpretiert.
