Isabel Allende: Dieser weite Weg
Mittwoch, 28. August 2019
Rezension des neusten Romans der Autorin
Der junge Victor Dalmau wird während seines Medizinstudiums in den spanischen Bürgerkrieg hineingezogen. Er arbeitet dort als Sanitäter, während sein Bruder an der Front kämpft. Die gesamte Familie wird, wie eigentlich alle Spanier, in diesen Krieg mit hineingezogen. Dieser Roman beschreibt diesen Krieg, dessen Auswirkung, eine Flucht, das Leben im Exil, weitere politische Wirren, die eine weitere Flucht nötig machen, eine Heimkehr: kurz gesagt einen weiten Weg, den Victor zurücklegt. Geographisch und zeitlich.
Der Spanische Bürgerkrieg
Dieser Krieg ging dem zweiten Weltkrieg voraus. Franco putschte mit seinen Nationalisten und der Hilfe des Militärs. Knapp drei Jahre wurde erbittert gegen die Republikaner (denen auch Victor und seine Familie angehörten) gekämpft. Der Bürgerkrieg endete mit einem Sieg Francos und seiner Truppen. Dem folgte eine Diktatur, die bis 1976 anhielt. Es gibt viele Romane, die in dieser Zeit und auch in der Diktatur spielen, Spanien wurde davon tief geprägt. Anhand der Familiengeschichte erzählt Allende die Ereignisse sehr anschaulich und verständlich.
Flucht aus Europa
Um Plätze auf dem Flüchtlingsschiff Winnipeg zu ergattern heiratet Victor seine Schwägerin Roser und gab damit seinem Neffen Marcel einen Vater. Tausende kamen dicht gedrängt auf das Schiff und wagten die Überfahrt nach Südamerika ohne zu wissen, was sie dort erwarten würde. Aber ebenso viele fanden auch keinen Platz mehr auf diesem Hoffnungsschiff. Ähnliche Geschichten gibt es auch über andere Schiffe ein paar Jahre später. Vollbesetzt mit Menschen, die vor dem dritten Reich flüchten wollten. Wie zum Beispiel die St. Louis, ein Kreuzfahrtschiff. Wir haben dazu schon zwei Bücher rezensiert: Das Erbe der Rosenthals und Alma.
Pablo Neruda
Der chilenische Dichter machte es erst möglich, dass Spanier nach Chile flüchten konnten. Er hat durch Spenden, die er aufgrund seines Namens und diplomatischen Geschickes auftreiben konnte, das Schiff Winnipeg als Flüchtlingsschiff organisiert.
Neruda kommt im Buch immer wieder vor. Einige der Protagonisten hielten bis zu seinem Tod freundschaftlichen Kontakt zu ihm.
Flucht
Die Beschreibung der Flucht, vor allem aus Spanien nach Frankreich und die Zustände im Flüchtlingslager haben sehr konkrete Ähnlichkeiten zur heutigen Situation. Bleiben die Menschen in ihrer Heimat, werden sie gefoltert und getötet. Fliehen sie, will sie keiner haben. Schon damals hätten die Menschen ohne die vielen Helfer in Menschenrechtsorganisationen keine Chance gehabt. In diesem Buch wird vor allem eine Frau erwähnt, die es schafft Geld für ein Geburtshaus zu organisieren, so dass zumindest die Schwangeren aus dem Flüchtlingstreck die Möglichkeit haben ihr Kind in einer sicheren Umgebung zur Welt zu bringen. Dieses Haus stand dann auch im zweiten Weltkrieg jüdischen Müttern zu Verfügung. Ich nehme an, auch hierfür gab es eine hsitorische Vorlage.
Chile
Doch auch in Chile kamen die Dalmaus (und viele andere) nicht zur Ruhe. Auch hier gab es Unruhen und später einen Putsch. Eine neue Flucht musste organisiert werden. Doch vorher kam Victor kam in Flüchtlingslager in denen Grausamkeit und Willkür herrschte. Seine medizinischen Kenntnisse retteten ihm auch im Lager das Leben.
Isabel Allende
Die Autorin wurde in Peru geboren, lebte in ihrer Jugend in Chile, bis sie mit ihrer Familie nach Venezuela fliehen musste. Denn ihr Onkel Salvador Allende war vor dem Putsch 1973 der Präsident Chiles. Dieser Teil der chilenischen Geschichte ist auch Teil des Buches. Heute lebt die Autorin in Kalifornien. Ihr berühmtester Roman ist Das Geisterhaus, der auch sehr erfolgreich verfilmt wurde.
Das Schicksal von Victor Dalmau ist dem eines Freundes von Allende nachempfunden. Viele Einzelheiten haben sich dann wohl auch ähnlich abgespielt.
Das Hörbuch
Es handelt sich um eine gekürzte Lesung. Die ca. zehn Stunden Laufzeit werden von Wiebke Puls kurzweilig interpretiert. Die Schauspielerin hat schon mehrere Hörbücher eingespielt, ich habe sie jetzt zum ersten Mal als Sprecherin gehört.
Das Einzige was mir nicht gefiel, war, dass sie zwei Personen eine „eigene“ Stimme gegeben hat. Einmal einer Schweizerin mit starkem Akzent, dann einer Hausangestellten einer befreundeten Familie. Beides hört sich ähnlich an, was mich irritierte (allerdings treten die Damen in verschiedenen Teilen des Buches auf). Ich fand es nicht gut, nur wenige Randfiguren mit Akzent sprechen zu lassen und allen anderen keine erkennbare Unterscheidung in der Stimme zu geben.
Fazit
Dieser weite Weg von Isabel Allende ist ein gefühlvoller und unterhaltsamer Roman, der ein langes, erfülltes Leben trotz vieler dramatischer Ereignisse zum Thema hat. Gleichzeitig dient das Buch als Geschichtsbuch, anhand dem die historischen Vorkommnisse und deren Zusammenhänge verständlich beschrieben werden. An das Geisterhaus kommt Allende damit meiner Ansicht nach nicht heran, doch ist es ein spannender Roman über mehr als 50 Jahre des letzten Jahrhunderts aus einer interessanten Perspektive.