Simone Lappert: Der Sprung
Mittwoch, 4. September 2019

Rezension des zweiten Romans von Simone Lappert
Eine Frau steht auf einem Dach in der Mitte einer Kleinstadt. Sie springt hinunter, das verrät der kurze Prolog. Doch vorher verbringt sie viele Stunden alleine auf dem Dach. Die halbe Stadt sieht dabei zu und wartet. Die Gaffer warten darauf, dass etwas passiert. Die meisten warten auf den Sprung und wollen sich gruseln, vielleicht auch Blut sehen. Manche fragen sich warum sie dort steht, andere verurteilen sie dafür. Einige dieser Menschen kommen im Buch zu Wort. Einige kennen die junge Frau auf dem Dach, andere haben sie noch nie gesehen. Bei allen ändert sich das Leben in den zwei Tagen, in denen der Roman spielt.
Manu
Die Frau, die dort auf dem Dach steht, ist Manu, eigentlich Manuela. Sie führt ein sehr unangepasstes Leben und widmet dieses den Pflanzen. Sie kommt nur kurz zu Wort, in dem sie den Sprung selbst beschreibt. Alles, was ich als Leserin über sie weiß, erfahre ich von den anderen, deren Geschichten dieses Buch bilden. So bleibe ich eine Zuschauerin, stehe also irgendwie auch vor dem Haus, lege den Kopf in den Nacken und schaue auf die Frau auf dem Dach.
Der Freund
Finn ist noch nicht lange mit Manu zusammen. Und sind sie das überhaupt? Zusammen? Er ist total in sie verknallt, sie schläft bei ihm und mit ihm, sie stellen verrückte Dinge miteinander an. Doch kennt Finn seine Manu? Nachdem er ihr seinen Traum offenbart, sieht er sie erst auf dem Dach wieder. Er will ihr dort helfen, doch die Polizei lässt ihn nicht. Die Bullen wollen sie aushungern. Ist Finn dafür verantwortlich, dass Manu da oben steht?
Die Schwester
Als die Polizei Manus Identität herausfindet, ruft sie Astrid, deren Schwester an. Dabei treffen sich die beiden Frauen gar nicht mehr, haben nichts gemein. Während Manu eine Guerillagärtnerin ist, ist Astrid Politikerin und möchte Bürgermeisterin werden und ein Ferienhaus auf Usedom kaufen. Wie soll gerade sie ihrer Schwester helfen von diesem Dach runterzukommen? Und die schlechte Publicity? Und doch hält sie an einem bestimmten Punkt zu ihrer Schwester. Aber ohne, dass es jemand erfährt. Diese Szene möchte ich nicht näher beschreiben, fand ich aber klasse!

Die Anderen
Das Buch ist voll mit tragischen Gestalten. Da ist Edna, die sich unheimlich über die Selbstmörderin aufregt, aber auch erzählt warum.
Theres, die mit ihrem Mann einen sterbenden kleinen Lebensmittelladen führt, der an dem Tag, an dem Manu auf dem Dach steht, nochmal aufblüht. Oder Winnie, dick, einsam, pubertär, die dadurch (hoffentlich) eine Freundin findet.
Felix, der nette Polizist mit den psychischen Problemen.
Henry, der Obdachlose, der Fragen verkauft und so gerne seinen Sohn treffen möchte.
Egon, der ein Wunder erleben wird.
Und noch andere Stimmen, die im Buch zu Wort kommen und dadurch ein Bild der Kleinstadt und so auch unserer Gesellschaft malen. Dieser Kanon an verschiedenen Erzählern erinnerte mich sehr an Das Feld von Robert Seethaler.
Die Autorin
Simone Lappert ist mir bereits mit ihrem Romandebüt Wurfschatten aufgefallen. Deshalb habe ich mich über ein weiteres Buch von ihr sehr gefreut. Noch größer war die Freude, als ich im Programm der Litblogconvention sah, dass sie dort eine Session halten würde.

Simone (man spricht den Vornamen übrigens französisch aus), ist nicht nur Schriftstellerin, sie arbeitet auch an Kunstprojekten mit, ist Präsidentin eines internationales Lyrikfestivals und gibt auch Schreibkurse. Davon gab es auf der LBC eine Kostprobe. Dabei konnte ich mich auch ein wenig mit ihr unterhalten, das war echt spannend. Simone wurde 1985 geboren, hat bereits mehrere Literaturpreise gewonnen und konnte auch Stipendien, zum Beispiel in New York, in Anspruch nehmen.
Fazit
Der Sprung von Simone Lappert ist ein lebensbejahender Roman, der mich am Leben ganz unterschiedlicher (fiktiver) Menschen teilhaben ließ. Durch den häufigen Perspektivwechsel bekommt der Roman Tempo, ohne an Tiefgang zu verlieren. Das Buch beinhaltet dramatische, traurige, lustige und wundervolle Szenen. Einige der erzählenden Figuren werde ich lange in Erinnerung behalten.
Linkparty
Mit diesem Beitrag nehem ich an der Linkparty für September 2019 bei Andrea Karminrot teil. Einmal im Monat können auf ihrem Buchblog dort Monatshiglights als Buchtipps hinterlegt werden. Schau dort mal rein, vielleicht findest du noch ein paar andere interessante Bücher?

Das hört sich aber sehr gut an. Das Buch kommt gleich auf meine Liste.
LG
Sylvia
Hallo Sylvia,
ja, ich kann es guten Gewissens empfehlen.
Bei Lovelybooks sind auch alle begeistert.
Ich wollte dir direkt einen Gegenbesuch abstatten, habe aber keinen GMail-Account. Vielleicht magst du die Kommentarfunktion mal erweitern, so dass man mit Namen und Blog-URL kommentieren kann?
Viele liebe Grüße
Silvia
Ich lese es auch gerade und musste mal linzen, was du geschrieben hast.
Lieben Gruß
Andrea
Hallo Andrea,
hoffentlich habe ich nicht zuviel verraten.
Weil du im Beitrag zur Linkparty das Buch gewählt habe, habe ich mich für dieses Buch dafür entschieden.
Ich hoffe, es gefällt dir.
Viele liebe Grüße
Silvia
Pingback: Rezension | Der Sprung von Simone Lappert | El Tragalibros
Pingback: [ Mikka liest das Leben ] [ Rezension ] Simone Lappert: Der Sprung