Jo Nesbø: Macbeth
Mittwoch, 10. Oktober 2018
Shakespeare versus Jo Nesbø
2016 war Jubiläums-Shakespeare-Jahr. Anlass für die Verlagsgruppe Randomhouse eine Serie mit Adaptionen seiner Dramen von namhaften Schriftstellern verfassen zu lassen. Jo Nesbø macht auch mit und hat sich als Krimiautor ebenfalls einen Krimi ausgesucht: Macbeth. Bisher erschienen bereits Interpretationen zu Der Sturm, Othello, Hamlet, Der Kaufmann von Venedig, König Lear, Der Widerspenstigen Zähmung, Das Wintermärchen und jetzt auch Macbeth.
Da ich denke mit den 620 Seiten wieder etwas länger beschäftigt zu sein, habe ich mich wieder für ein Lesetagebuch entschieden.
Lesetagebuch
17.09.2018, 18:00
Nachgewogen: Das Buch wiegt ohne Schutzumschlag 814 Gramm. Lerne ich denn nie aus? Können bei den Büchern nicht auch Gewichtsangaben neben den Seitenzahlen stehen? Warum habe ich nicht das eBook genommen??? Ich habe außerdem vermehrt Angst vor dicken Büchern. Früher konnten die Wälzer nicht dick genug sein, jetzt suche ich mir oft das dünnste im Stapel aus. Doch an Jo Nesbø komme ich nicht vorbei. Ich fange einfach mal an.
17.09.2018, 18:20
Bis Seite 24 bin ich gekommen. Viele Protagonisten wurden eingeführt. Eine riesige Menge Drogen soll verkauft werden. Viele sind beteiligt, nur einer hat den Überblick: Hecate. Der Name der Stadt, in der dieser Roman spielt, wird nicht genannt. Sie liegt aber eindeutig in Schottland. Die Stadt wird als eine Art Gotham City beschrieben. Dunkel im wahrsten Sinne des Wortes. Nie scheint dort die Sonne, alles liegt im Schatten. Viele Arbeitslose und –- Hoffnungslosigkeit überall. Echt düster.
Jetzt muss ich mich umziehen und ab zur S-Bahn. Ich habe noch eine Verabredung mit einem ganz anderen Autor: Lesung von Michael Ondaatje und Kriegslicht!
21.09.2018, 21:00
Diese Woche bin ich nicht viel zum Lesen gekommen. Seite 120 habe ich erreicht. Doch eine Macbeth-Fassung des Dramas in deutscher Übersetzung habe ich mir runtergeladen um die Parallel besser zu erfassen. Das wird mein Lesetempo zwar noch mehr verlangsamen, doch diesen Aspekt finde ich sehr interessant. Zum Inhalt des Shakespeare-Stücks möchte ich nicht viel sagen, das würde den Inhalt des Krimis vorwegnehmen. Doch viele werden die Story sicher kennen.
21.09.2018, 21:00
Nesbø lehnt sich schon sehr an die Vorlage und geht auch soweit einige Zitate mit aufzunehmen. Ein Beispiel:
„Menschlicher Ehrgeiz steckt sich immer der Sonne entgegen. Wie eine Distel, die alles um sich herum in den Schatten stellt und tötet.“
Auch das Personal ist namentlich übernommen. Nur die Funktionen sind etwas anders. So ist Macbeth kein Feldherr, sondern Polizist. Duncan nicht König, sondern Polizeichef. Lady leitet ein feudales Spielcasino. Sehr gut gefiel mir die Umsetzung der drei prophezeienden Hexen. Sie sind nur nicht am Anfang des Romans, sondern etwas später. Nesbø versucht beidem gerecht zu werden: der Nähe zum Original und dem klassischen Krimi. Nicht einfach. Ich weiß auch noch nicht so genau, ob mir die Mischung gefällt. Ist irgendwie nicht Fisch, nicht Fleisch. Oder ist mir das unbewusste, dauernde Suchen nach Übereinstimmungen und Abweichungen das, was meinen Lesefluss stört?
23.09.2018, 10:20
Seite 228. Macbeth war am Anfang die sympathische Hauptfigur, doch das hat sich gewandelt. Musste er zum „Königsmord“ noch von Lady angestachelt werden, hat er jetzt genügend eigene fiese Ideen. Und Drogen nimmt er auch wieder. Warum erkennt er nicht, dass er sich damit auch von den Drogenhändlern abhängig macht?
Ich wende mich jetzt meiner Droge zu: auf zum Yoga!
24.09.2018, 22:10
Diese Woche werde ich noch weniger Zeit zum Lesen haben. Eine Tagung, Arbeit an einem anderen Standort und Familie lassen mir wenig Freiraum.
Dafür habe ich nochmal kurz recherchiert.
Auch Shakespeare hat für sein Drama Macbeth eine Vorlag benutzt. Oder vielmehr mehrere Quellen. Duncan und Macbeth, wie auch sein langjähriger Freund Banqo gab es wirklich, nur die Ereignisse haben sich wohl anders zugetragen. Diese haben aber wohl Ähnlichkeit zum Leben von Maria Stuart, das wird wohl auch kein Zufall sein. Ein Thema, dass ich gerne noch vertiefen werde, wenn ich mal richtig viel Zeit habe.
26.09.2018
Jetzt habe ich richtig Lust, Macbeth auch mal auf der Bühne zu sehen. Das macht mir sicher mehr Spaß, als das Stück selbst zu lesen. Leider finde ich hier in der Nähe kein Theater, das dieses Drama zurzeit im Programm hat. Vielleicht leihe ich mir mindestens eine der Verfilmungen aus.
27.09.2018
Alles steuert langsam auf den Showdown am Schluss zu. Aber so richtig spannend und fesselnd ist das Buch nicht. Woran liegt es? Das viele der Protagonisten irgendwie irre werden? Oder passt der Stoff doch nicht in die heutige Zeit? Doch macht, Gier, Sucht und Gewalt sind eigentlich Themen die immer aktuell sind.
28.09.2018
Im Buch geht jemand ins Kino. „Herr der Fliegen“ wird gezeigt. Allerdings schon vor mehreren hundert Seiten, ich komme aber erst heute dazu im Netz nachzusehen von wann der Film erschien. Damit würde ich die Handlung auf 1990 datieren. Es sind auch noch keine Computer im Einsatz, aber viele Schreibmaschinen.
Übrigens habe ich mir ein neues Fahrrad gekauft. Im Sommer habe ich mich nach langer Zeit mal wieder aufs Rennrad geschwungen, es macht Spaß aber nicht mit meiner alten Möhre, die noch aus der Zeit stammt als ich jung und knackig war. Heute konnte ich den neuen Flitzer abholen. Eigentlich zu sportlich für mich, aber ich wollte unbedingt eine elektrische Schaltung. Nun ja. Ich komme zum Radhändler und es fängt an zu regnen. Mist. Keine erste Tour am Tag des Kaufs. Dafür konnte ich abends noch ca. 100 Seiten in Macbeth lesen. Ganz habe ich es nicht mehr geschafft, ich war zu müde.
29.09.2018, 7:15 Uhr
Die letzten 70 Seiten stehen an. Klassischer Showdown. Viele sind schon tot, mal sehen, wen es noch erwischt.
Die Namen sind zum Teil sehr symbolisch gewählt. So heißt der Bürgermeister zum Beispiel Tourtell. Laut ausgesprochen hört sich das an wie turtle, Schildkröte. Damit wird diese Person auch oft verglichen. Oder Seyton. Hört sich an Satan, englisch ausgesprochen. Eine Figur mit sehr speziellen Fähigkeiten. Hecate ist im Original eine Frau. Warum macht Nesbø einen Mann daraus? Den Grund konnte ich nicht erkennen. Oder soll es nur ein Spiegel der dargestellten Gesellschaft sein? In der haben Frauen eher die Funktion Heim und Herd. Ein paar Ausnahmen gibt es im Buch allerdings auch.
29.09.2018, 8:15 Uhr
Ich muss das Buch liegen lassen, einkaufen, zur Bücherei fahren und endlich meine erste Radtour machen!!!
29.09.2018, 13:30 Uhr
Ausnahmezustand in Köln. Ich wohne in der Nähe des Flughafens. Straßen gesperrt. Geschäfte geschlossen. Unheimlich viele Polizisten. Wenn ich auf der Radtour (die kleine Runde um den Flughafen war vielleicht auch unglücklich gewählt…) einen Unfall gehabt hätte wäre sofort Hilfe dagewesen, ich habe sicher auf den 25 Kilometern 50 Polizeiautos getroffen. Warum? Erdogan ist zu Besuch. Ich erspare es mir, Parallelen zu Macbeth herzustellen.
Doch jetzt habe ich Zeit für die letzten 20 Seiten!
30.10.2018
Das ganze Drama von Shakespeare komplett zu lesen spare ich mir. Bisher habe ich nur einige Szenen zum Vergleich nachgelesen. In den nächsten Tagen werde ich mir noch eine Verfilmung ansehen um Nesbøs Buch auch damit vergleichen zu können.
Fazit
Nesbø versuchte die Stimmung des Originals zu übernehmen. Dies gelang ihm durch die Personenzeichnung und vieler Zitate sehr gut. Die düstere Stimmung der beschriebenen Stadt schwappte förmlich aus dem Buch hinaus. Doch so richtig gepackt hat mich diese Adaption nicht. Die Entwicklung der Figuren, von Shakespeare allerdings vorgegeben, hat mich nicht unbedingt überzeugt. Vielleicht blieb die Spannung aber auch auf der Strecke, weil ich die Geschichte in groben Zügen bereits kannte.
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