Nachlese Autorinnen
Sonntag, 14. März 2021
#Autorinnenschuber
Warum wurde der Hashtag #Autorinnenschuber ins Leben gerufen? Der ist nicht neu, den gibt es schon länger. Mir gefällt der Name ehrlich gesagt nicht, aber die Idee zählt. Weibliche Autorinnen verdienen immer noch weniger als ihre Kollegen. Warum das so ist begreife ich nicht, aber diese Ungleichheit zieht über alle Berufsgruppen, wie anlässlich des Weltfrauentags mal wieder überall veröffentlicht wurde. Warum werden aber durchschnittlich weniger Bücher von Frauen gelesen? Und das, wo es mehr Leserinnen als Leser gibt? Ich greife inzwischen bewusst häufiger zu Büchern von Autorinnen. Aber ich gehe nicht so weit, dass ich Bücher von Männern nicht lesen oder hören würde. Doch dieses Jahr wurden bisher etwa 70% der Bücher die las, von Frauen geschrieben. Drei davon stelle ich hier in knapper Form vor.
Doris Knecht: Wald
Ich fange mit einem Backlistbuch an. Die Bücher von Doris Knecht schätze ich sehr. Die Themen interessieren mich, der Schreibstil packt mich. Häufig mit Ironie gespickt, ist das ganz mein Ding. Aber Wald habe ich nicht gelesen. Warum weiß ich auch nicht. Zum Glück schlug eine Freundin dieses Buch im Literaturkreis vor. Denn es passt einfach wunderbar in diese schräge Zeit. Der Roman handelt von Marian. Sie wohnt allein in einem alten Haus, welches in einem kleinen Dorf steht. Marian versucht dort unter schwierigen Verhältnissen durchzukommen. Das Buch spielt eigentlich nur an einem einzigen Tag, aber Marian erzählt uns darin ihr ganzes Erwachsenenleben. Erst nach und nach wird klar, wie es kommt, dass sie dort alleine haust. Auch das Dorfleben und die Bekanntschaften, die sie dort gemacht hat, sind Thema. Von einigen wird sie gehasst, andere helfen ihr und bitten sie selbst um Unterstützung. Dann ist da noch Franz, zu dem sie eine eigenartige Beziehung pflegt. Toll, wie sich nach und nach alles herausschält. Dieses Leben voller Einsamkeit und Verzicht passt hervorragend zum Lockdown, unter dem wir alle leiden. Die Gründe dafür liegen bei Marian ganz anders, trotzdem konnte ich viele Vergleiche ziehen. Im Lesekreis haben wir auch über die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu „Die Wand“ von Marlen Haushofer diskutiert. Letzteres ist literarisch vielleicht bedeutender, dafür ist „Wald“ sehr nahe an unserer Realität. Auf alle Fälle hat der keine Alpenstaat hervorragende Autorinnen hervorgebracht.
Eine ausführliche Rezension zu diesem Buch fndet ihr beim Kaffeehaussitzer.
Hildegard E. Keller: Was wir scheinen
Hannah Arendt sagte mir ehrlich gesagt nicht viel, bevor ich von diesem Buch hörte. Für diejenigen denen es auch so geht empfehle ich mal eine Suchmaschine zu bemühen. Arendt musste als Jüdin vor den Nazis fliehen, was ihr auch irgendwann gelang. Als Journalistin war sie beim Eichmann-Prozess in Israel, darüber schrieb sie auch ein Buch. Ein bewegtes Leben hat diese starke Frau gehabt. Dieser Roman zeigt sie auch von ihrer menschlichen und verletzlichen Seite. Denn das kommt oft zu kurz, also dass ich darüber nachdenke, dass auch solche Personen des öffentlichen Lebens nur Menschen sind. Ahrendt hat viele persönliche Verluste erlitten und ganzen Haufen sehr interessanter Menschen kennengelernt. Das Buch setzt im Sommer 1975 an. Ahrendt reist allein in die Schweiz und nimmt die Leser*innen mit durch ihr sehr bewegtes Leben. Wir folgen ihr unter anderem nach Berlin, Paris, Marseille, New York Jerusalem und Rom.
Ich konnte bei einer Buchpräsentation dabei sein, Dort wurde erwähnt, dass die Autorin Keller das Buch eigentlich mit knapp 200 Seiten geplant hat. Herausgekommen ist ein Wälzer von über 500 Seiten. Ahrendts Leben gibt das auch her, aber manchmal wurde es mir etwas langwierig. Doch andererseits: was hätte sie weglassen können? Ein Denkmal für eine sehr bedeutende Frau des letzten Jahrhunderts.
Eine ausführlichere Rezension findet ihr auf dem Blog schiefgelesen.
Josepha Mendels: Rolien & Ralien
Dieser ungewöhnliche Roman ist erstmalig bereits 1947 erschienen, jetzt gibt es eine neue Ausgabe im Wagenbach-Verlag. Auf diesen Roman bin ich ebenfalls durch einen (anderen) Lesekreis gestoßen, leider konnte ich bei der Besprechung nicht dabei sein (meine Mutter hatte zeitgleich ihren ersten Impftermin, ich hatte versprochen sie zu begleiten). Denn dieses Buch eignet sich ganz hervorragend zur Diskussion, die Einschätzung anderer hätte mich sehr interessiert.
Rolien ist zu Beginn des Romans 11 Jahre alt, wirkt aber sehr altklug und erwachsen. Zu der Zeit wollte sie ein Mann namens Rudolph werden und nach Paris gehen. Das Buch führt sie durch ihre Kindheit und begleitet sie auch noch ein Stück auf dem Weg als junge Frau, die es tatsächlich nach Paris geschafft hat. Es geht um Familie, Freundschaft und Selbstfindung. Rolien hat wirkliche und eine erfundene Freundin. Letztere heißt Ralien. Manchmal nimmt diese auch regelrecht Besitz von Rolien, denn Ralien hat einen anderen Character und schafft es auch schon mal Rolien zu Dingen zu bewegen, die sie sonst nicht gemacht hätte. Dieses Zusammenspiel ist schön zu lesen. Natürlich merkt man dem Buch einerseits an, dass es schon was älter ist, allerdings ist der Stil doch auch jung geblieben. Auf alle Fälle galt das Buch beim Erscheinen als „schmutzig“ und skandalös, wohl wegen Andeutungen über lesbische Liebe. Das ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Der Roman hat autobiografische Züge. Mendels hat übrigens ihre ganze Familie im Holocaust verloren. Auch in diesem Buch spielt der Tod eines Familienmitglieds eine Rolle. Rolien ist mir sehr ans Herz gewachsen.
Diese Buchentdeckung wird bei Gute Literatur meine Empfehlung rezensiert.
Weitere Bücher von Frauen
Da gibt es natürlich so, so viele. Auch hier auf dem Blog. Welche erwähne ich hier? Schwierige Entscheidung, kaum zu treffen. Deshalb entscheide ich mich für ein paar ältere Bücher von deutschsprachigen Autorinnen, die auch alle in den wunderbaren #Autorinnenschuber gehören. Sie sprangen mich gerade sehr spontan an. Für weitere Inspirationen schaut einfach mal auf unserer Liste aller Bücher.
Die Vier Liebeszeiten von Birigt Rabisch
Schnell, dein Leben von Sylvie Schenk
Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster von Susann Pásztor
Die Kieferninseln von Marion Poschmann
Der Sprung von Simone Lappert
April von Angelika Klüssendorf
Blogmüdigkeit
Eigentlich sollte dieser Artikel mit dem Hashtag #Autorinnenschuber zum Weltfrauentag am 8.3.2021 erscheinen. Doch vernachlässige ich meine Blogarbeit zurzeit sehr. Ich lese nach wie vor gerne, im Verhältnis zu den Vorjahren auch eher etwas mehr. Doch fällt es mir echt schwer, mich nach der Arbeit nochmal an denselben Schreibtisch zu setzen, an dem ich schon den ganzen Tag gesessen habe. Das ist der Nachteil des ewigen Homeoffice. Einmal die Woche gönne ich mir Abwechslung und fahre ins Büro. Falls dieser Lockdown mal endet, werde ich das auch wieder häufiger machen. Homeoffice ist schön, aber ich freue mich darauf meine Kolleg*innen auch wieder persönlich treffen zu können (zumindest die meisten davon 😉) .