Rezension: Das Erbe der Rosenthals
Mittwoch, 10. Januar 2018
Die Geschichte zweier Mädchen
Das Erbe der Rosenthals ist ein Roman über zwei Mädchen, die zwar durch 75 Jahre getrennt, aber durch die Geschichte eng verbunden sind. Die Protagonisten sind fiktiv, die Umstände aber historisch
verbürgt. Es geht um das Schicksal der Juden, die 1939 mit dem Schiff St. Louis aus Deutschland flüchten wollten.
Hannah
Hannah war elf Jahre alt als sie die Kristallnacht miterlebte. Als Tochter reicher Juden hat sie im Berlin von 1939 nicht viel zu lachen. Von den Deutschen verabscheut, weil sie Jüdin ist, von den Juden ausgegrenzt, weil sie wie ein „deutsches Mädchen“ aussieht. So lautet auch der Originaltitel dieses Buches „The German Girl“. Die Familie entscheidet sich zur Flucht, ergattert Visa für Kuba und eine Passage auf der St. Louis. Der Leser begleitet Hannah erst durch Berlin, während der Schiffspassage und erfährt im Laufe des Buches die gesamte Lebensgeschichte bis zu ihrem Tod.
Anna
Anna ist 12 Jahre alt, lebt 2014 mit ihrer Mutter in New York und hat ihren Vater nie gesehen. Er kam eines Tages im September 2001 nicht mehr nach Hause zurück. Anna ist sehr selbständig, ihre Mutter hat den Verlust ihres Mannes nicht verkraftet, versinkt in tiefe Depressionen und lässt sich von ihrer Tochter bemuttern. Bis eines Tages Post aus Kuba kommt. Einige Fotos sind dabei. Alte Bilder von einem Mädchen, dass Anna unheimlich ähnelt. Anna überredet ihre Mutter zu einer Fahrt nach Kuba um dieses Rätsel zu lösen und endlich mehr über die Herkunft und Familie ihres Vaters zu erfahren.
St. Louis
Astrid hat bereits ein Buch über die Irrfahrt dieses Schiffes besprochen.
Im Einband und den ersten und letzten Seiten von Das Erbe der Rosenthals sind Passagierlisten und Fotos von dieser Fahrt nach Kuba zu sehen. Auch der mutige und engagierte Kapitän wird abgelichtet und viele Kinder, von denen eines auch die fiktive Hannah sein könnte. So kommt mir das Schicksal der Passagiere noch viel näher.
Parallelen
Die Parallelen zwischen den Geschichten von Anna und Hannah sind sehr schön aufgebaut. Immer abwechselnd wird aus den verschiedenen Leben erzählt und so werden einige Angelpunkte im Leben der Mädchen sehr geschickt verknüpft. So zum Beispiel die Geschichte der Väter, die Depressionen der Mütter und die Freundschaften zu Gleichaltrigen.
Noch stärker sind die Parallelen zwischen den Flüchtlingen von damals und heute. Kein sicheres Land war mehr bereit die flüchtenden Juden aufzunehmen, auch nicht als Durchgangsstation. Und das obwohl allen klar war, dass in Europa der Tod wartet. Einen gravierenden Unterschied gab es aber doch: auf der St. Louis herrschte auf dem Oberdeck Luxus pur. Doch war die Verzweiflung überall zu spüren.
Der Autor
Der Journalist Armando Lucas Correa hat an zwei der Hauptschauplätze selbst gelebt. Seine Wurzeln liegen in Kuba, jetzt lebt er in New York. Ein Buch nach einer wahren Geschichte hat er bereits publiziert, es wurde nicht ins Deutsche übersetzt. Das Erbe der Rosenthals ist sein erster Roman. Seine Verbindung zu diesen Ereignissen ist in den Erzählungen seiner Großmutter begründet wie er in diesem Interview erzählt
Fazit
Zwei Mädchen, zwei Zeiten, viele Parallelen. Die Verbindung der beiden unterschiedlichen Leben der Mädchen ist dem Autor sehr gut gelungen. Er verbindet die Schicksale, die durch 75 Jahre getrennt sind. Auch die Parallelen der Flüchtlinge damals und heute sind sehr gut getroffen. Trotz der tragischen Ereignisse ein kurzweiliges Debüt. Meiner Ansicht nach für Jugendliche ebenso geeignet wie für Erwachsene.
Weitere Rezensionen
Buchinfos
Das Erbe der Rosenthals Armando Lucas Correa übersetzt von Ute Leibmann bastei Lübbe Verlag ISBN 978-3-7857-2602-0 432 SeitenBuchtrailer |
Hallo Silvia
eine schöne Buchvorstellung und ein Thema, das nahegeht.
Ich denke, dass hier das Schicksal der Flucht der Juden gar nicht so bekannt ist, was sie auf ihrer Flucht und danach erlebt haben. Denn immerhin haben sie ja noch Glück gehabt…
Ich bin gespannt, wie der Zusammenhang zwischen Anna und Hannah ist.
Liebe Grüße
Daniela
Hallo Anja,
Ja, das Schicksal der Menschen im Buch ging mir nahe, aber nie auf die Tränendrüsen.
Ein Buch das wirklich gut zu lesen ist und meiner Meinung nach viel zu bieten hat.
Alles Gute
Silvia
Hallo Sylvia,
das hört sich nach einem interessanten Buch an, ein Thema, welches immer wieder bewegt und dessen Ausmaß einem gar nicht richtig bewusst ist bzw. sein kann.
Vielen Dank für die Vorstellung.
Liebe Grüße von Heike
Hallo Heike,
genau, ein Thema, mit dem man sich immer wieder beschäftigen sollte und auch manchmal einen Spiegel für die heutige Zeit bietet.
Alles Gute
Silvia