Birgit Rabisch: Tod der Autorin
Sonntag, 23. März 2025

Ein Leben in elf Romanen
Birgit Rabisch nimmt ihren 70. Geburtstag zum Anlass auf ihr Leben und ihr schriftstellerisches Werk zurückzublicken.
Dazu begeht sie eine denkwürdige, fiktive Geburtstagsfeier. Dazu lädt sie nicht ihre Freunde und Familie ein, sondern Figuren aus ihren elf Romanen.
Diese Geburtstagsfeier ist ein festliches Diner mit mehreren Gängen und Livemusik. Für letzteres sind die Männer aus „Putzfrau bei den Beatles“ zuständig. Das Buch ist durch die Gänge des Essens strukturiert. Für jeden Gang gibt es ein Kapitel mit Angabe des Tisches, den Protagonisten aus den Büchern die dort sitzen und natürlich auch der gereichten Speisen. Die Autorin setzt sich bei jedem Gang an einen anderen Tisch, so dass sie mit allen ein Gespräch führen kann. Außerdem lernen sich so die Menschen aus ihren Büchern kennen, denn an einem Tisch entstammen alle aus unterschiedlichen Romanen. Und da kann sie aus dem Vollen schöpfen. Mit 26 Personen aus ihren Büchern führt sie im Laufe dieses Romans Unterhaltungen. Sie nennt es auch im Buch
Eine Autobiografie in 26 Romanfiguren
Hier eine Übersicht aus dem Werk von Birgit Rabisch, und das sind nur ihre Romane, es gibt da noch viele weitere veröffentlichte Texte.
Das Werk von Birgit Rabisch
Bis der Mord sie scheidet… (1990)
Ein Krimi von 1990. Er behandelt ein aktuelles Thema: die Altenpflege. Anke, eine junge Frau, kümmert sich um Martha. Letztere hat ein Pflegeheim früher geleitet.
Duplik Jonas 7 (1992)
Der größte Erfolg der Autorin. Dieses Buch wurde über 200000 mal verkauft. Die Filmrechte wurden verkauft, es gibt ein Hörbuch dazu. Das Buch war sogar Schullektüre. Dieses Buch spielt in der Zukunft und es geht um Organspender. Wird in dieser Welt ein Kind geboren, wird auch ein Klon in die Welt gesetzt. Dieser lebt in einem Hort mit vielen anderen Dupliks und gibt ein Organ ab, wenn sein „Original“ eines braucht. Bemerke: das Buch ist bereits 1992 erschienen, lange vor „Alles was wir geben mussten“ von Kazuo Ishiguro, welches dasselbe Thema behandelt.
Sonjas Logbuch (1997)
In diesem Roman geht es um nichts geringeres als um „Schuld und Sühne“. Ja, auch das Buch von Dostojewski ist mit an Bord des Jollenkreuzers. Vier junge Leute unternehmen einen Segeltörn. Es gibt starke Risse in der Gemeinschaft, dann heißt es „Frau über Bord“.
Möglichkeit der Liebe (1998)
Ein Liebesroman, aber nicht von der kitschigen Sorte. Es geht um die Lektorin Vera, die es erst nach einem Buch welches sie berührt hat, es schafft wieder Gefühle in ihrem Leben zuzulassen. Es wird gesegelt und das von Birgit Rabisch geliebte Wattenmeer ist einer der Romanschauplätze.
Unter Markenmenschen (2002)
Noch eine Dystopie. Menschen werden im Gen-Design-Labor gezeugt. Was passiert mit denen, die auf natürlichem Weg entstehen. Können sie sich in dieser Welt unter perfekt designten Menschen bestehen? Hier meine Gedanken zu diesem Buch.
Die schwarze Rosa (2005)
In diesem Roman verarbeitete Birgit Rabisch einen Teil ihrer Familiengeschichte. Es geht um eine Frau in der Weimarer Republik, Birgits Großmutter. Es geht um die Schwarze Reichswehr und Fememorde. Später kümmert sich Rosa liebevoll um ihre kleine Enkelin. Dieses Buch habe ich hier besprochen.
Warten auf den Anruf (2009)
Wissenschaftlerinnen sind immer wieder Protagonistinnen in Rabischs Romanen. Hier direkt drei aus drei verschiedenen Generationen. Emma, Chemikerin, Wilhelmine, Physikern und Irène, Biologin mit Spezialisierung auf Stammzellenforschung. Letztere wartet auf einen Anruf vom Nobelpreiskomitee..
Blind Copy – Das bin nicht ich (2013)
Auch hier spielt eine Wissenschaftlerin eine der Hauptrollen. Sabine ist Hirnforscherin, ihr Leben wird auf den Kopf gestellt, als den Brief von einem verstorbenen „Onkel“ liest.
Die vier Liebeszeiten (2013)
Über dieses Buch habe ich Birgit Rabisch kennengelernt. Es ist die Geschichte eines Paares, erzählt über vier verschiedenen Stadien ihrer Beziehung. Diese sind wiederum mit den vier Jahreszeiten verknüpft. Hier meine Rezension dazu.
Wir kennen uns nicht (2016)
Bücher über die Beziehung zwischen einer Mutter und ihrer Tochter interessieren mich immer sehr. Davon handelt dieses Buch. Eine Autorin, Lena und ihre Töchter Ariane (Verhaltensforscherin) haben nicht das beste Verhältnis. Doch da klappt Ariane bei einem Vortrag zusammen. Plötzlich wohnen sie wieder in einem Haus. Zu diesem Buch habe ich auch einen Artikel veröffentlicht.
Putzfrau bei den Beatles (2018)
Hier geht es um Generationenkonflikte, Alter und Demenz. Vier Männer wohnen in einer Alters-WG und heuern Jana an, um ihnen im Alltag unter die Arme zu greifen. Dann steht plötzlich auch noch der zwölfjährige Leander vor der Tür und behauptet der Enkel des einen „Beatles“ zu sein. Die vier Männer nennen sich so, weil sie gerne als Beatles aufgetreten sind. So nennen sie ihre WG auf „Yellow Submarine“.

Vielfältige Themen
In den Gesprächen mit ihren Romanfiguren erzählt die Autorin frei über sehr viele Themen. Wissenschaft, Feminismus, Umweltschutz, Nazis, Segeln, Wattenmeer, ziviler Ungehorsam usw. Sie schreibt wortwörtlich über Gott und die Welt. Das wird umso spannender, weil ihre Figuren aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufeinandertreffen.
Sie setzt sich mit ihren Figuren und auch mit dem eigenen Leben, den eigenen Handlungen und vor allem ihrem Schaffen auseinander. Ein Rückblick auf 70 Jahre. Immer wieder wird klar, mit wieviel Arbeit das Verfassen eines Romans verbunden ist.
Was mich stört, ist, dass Birgit Rabisch sich immer als alt bezeichnet. Meine Mutter ist bereits 85 Jahre alt und voller Pläne mit Dingen die sie noch erleben möchte. Auch ich werde bald 60 und hoffe sehr, dass ich mich mit 70 noch nicht zum alten Eisen zählen muss.
Giferto
Das Alter Ego von Birgits Ehemann. Dieser ist dement, Birgit pflegt ihn. Ihre Erlebnisse dabei hat sie im Logbuch Unser Törn ins Vergessen verarbeitet.
Im Roman Tod der Autorin ist ihr Mann tot. In der Realität ist er noch am Leben, allerdings ist der Mann, der Autor Bernd Hans Martens schon länger nicht mehr da. Die Krankheit Alzheimer hat seine Persönlichkeit, seinen Intellekt genommen. Und damit Birgit auch die Fähigkeit mit ihm zu sprechen.
So hat sie sich den „Geist-Giferto“ geschaffen, um mit ihm fiktive Diskussionen führen zu können. Im realen Leben, wie auch in diesem Buch.
Giferto ist ein Begriff aus dem Althochdeutsch, die Vorläufer zum Wort „Gefährte“, also jemand, der einen auf einer Fahrt begleitet. Was für ein schöner Begriff für einen Lebensgefährten.
Fazit
Tod der Autorin von Birgit Rabisch ist ein ungeheuer vielschichtiger Roman. Im lockeren Plauderton werden viele aktuelle Themen unserer Welt besprochen. Und nicht nur das, sie reflektiert auch Vergangenheit und Zukunft. Das Buch macht Lust darauf, alle ihre Romane zu lesen und auch das eigene Leben zu reflektieren.
Liebe Astrid, liebe Silvia,
erst einmal großes Lob für das gelungene Foto vom Buch <3
Ich muss sagen, dass mich das Cover im Laden vermutlich nicht angesprochen hätte. Ich hätte das Buch vermutlich nicht zur Hand genommen und dabei scheint es eine sehr interessante Geschichte zu enthalten.
Die Idee mit der fiktiven Geburtstagsfeier finde ich einfach genial!
Von den von vorgestellten Geschichten hat mich auch gleich eine ganz besonders angesprochen: Duplik Jonas 7. Das klingt nach einer bewegenden Geschichte, die vermutlich, wenn gut umgesetzt, auch noch lange nachhallen wird.
Euer Fazit untermalt meinen ersten Eindruck und schürt die Neugierde auf das Buch. Ich danke euch für diese sehr interessante Buchvorstellung.
Liebe Grüße
Tanja