Interview mit Birgit Rabisch
Sonntag, 30. März 2025
Fragen an die Verfasserin von „Tod der Autorin“

Copyright: Bernd Hans Martens
Von der Autorin Birgit Rabisch habe ich schon einige Bücher gelesen, als letztes „Tod der Autorin“. Dieser autofiktionale Roman verrät viel über Leben und Schreiben der Autorin, aber ein paar Fragen blieben bei mir noch offen. Das ist der Anlass für ein erneutes Interview mit Birgit, schon das dritte, das ich auf diesem Blog veröffentliche.
Dieses Interview haben wir per Mail geführt, die Antworten von Birgit Rabisch habe ich eins zu eins übernommen, wie sie es mit übermittelt hat. Ihre Antworten sind im Beitrag kursiv dargestellt.
Bitte erkläre mir den Titel „Tod der Autorin“
Der Titel bezieht sich auf den Essay von Roland Barthes „Tod des Autors“ (1967/68), der in der Literaturwissenschaft ziemlich wirkmächtig geworden ist. Kernthese: „Die Geburt des Lesers ist zu bezahlen mit dem Tod des Autors.“ Auch in meinem Roman geht es um eine Dekonstruktion der „Autorin“ durch die Befragung ihrer selbst und ihrer Stellung durch ihre Romanfiguren, die wiederum in den Köpfen ihrer Leser*innen ihr Eigenleben führen. Die Autorin in diesem Roman ist selbst eine Romanfigur und nicht die Erzählerin des Textes und nicht ich. Mit anderen Worten: Es ist kompliziert.
Ein kleiner Hinweis auf den Ursprung des Titels findet sich auf S. 10, wo die Autorin zu einem Foto ihres Mannes sagt:
„Dein Tod ist nicht nur eine verdammte Metapher wie in der postmodernen These vom Tod des Autors! Der ist inzwischen ja wieder quicklebendig. Kaum eine Buchvorstellung ohne Homestory beim Autor, selten Rezensionen, die nicht auf das Leben der Autorin verweisen. Dein Tod ist real und mein Leben ist schmerzlich real. Meine Blase drückt!“
Auf Wikipedia findet sich eine recht gute Darstellung zur Thematik „Tod des Autors“.
Fühlst du dich wirklich so alt, wie du es in deinem Buch beschreibst?
Nein, ich fühle mich nicht so alt wie meine Romanfigur die „Autorin“ in meiner Autofiktion. Ich habe keine Knie- und Hüftprobleme, lebe nicht in einer Seniorenwohnung und mein Mann lebt noch. Durch seine Demenz und seine Pflege bin ich jedoch stark mit den Seiten des Alters konfrontiert, die für fitte und gesunde Alte (zu denen ich mich zähle) oft schwer vorstellbar sind. Ich habe meiner „Autorin“ viel davon aufgebürdet und mich so auch selbst mit den Fragen von Krankheit und Siechtum auseinandergesetzt.
Wie stehst du überhaupt zum Alter, hat es für dich auch schöne Seiten?
Das Alter hat unbedingt schöne Seiten. Die schönste für mich ist die Geburt meines Enkelsohnes vor einem Jahr! Es ist eine große Freude, einem kleinen Menschenwesen bei der Entdeckung der Welt zuzuschauen. Und gerade im geschärften Bewusstsein von der Endlichkeit des Lebens gelingt mir das „Pflücke den Tag“ jetzt viel besser als in jungen Jahren. Ich bin tatsächlich viel gelassener geworden und das erspart unnötigen Stress. Ich genieße bewusst schöne Momente wie jetzt das Erwachen der Natur im Frühling, freue mich an meinen Kindern, meinen Freund*innen und kann mich immer noch für gute Literatur begeistern.
Wie würde dein Lebensabend aussehen, wenn du keine Restriktionen hättest?
Die Restriktionen sind natürlich durch die Pflege meines Mannes bedingt, der inzwischen bei allem meine Hilfe braucht und den ich auch nicht allein lassen kann. Ohne diese Einschränkung würde ich häufig Freund*innen besuchen, zu vielen kulturellen Veranstaltungen gehen, mich auf Buchmessen tummeln, Lesereisen machen, bei den „Omas gegen rechts“ aktiv mitmachen, viel Zeit in der Natur (an und auf der Nordsee!) verbringen und zusammen mit meinen Kindern und meinem Enkel etwas unternehmen.
An dieser Stelle möchte ich nochmal auf das Logbuch zur Krankheit von Birgits Mann Unser Törn ins Vergessen aufmerksam machen.

Copyright: Vera Rosenbusch
Überarbeitung von Romanen
Du hast mehrmals erwähnt, dass du deine Bücher häufiger neu überarbeitet hast. Würdest du auch an „Tod der Autorin“ bereits im Nachhinein Änderungen vornehmen wollen?
Dazu brauche ich noch mehr Abstand.
Gibt es noch Themen, die du gerne literarisch verarbeiten möchtest?
Im Moment bin ich ein bisschen „leergeschrieben“. Aber vielleicht geht es mir ja irgendwann wie meiner „Autorin“: „Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo eine Idee her. Ein Gedanke, ein Bild, eine Szene, ein Konflikt, ein erster Satz.“ Tod der Autorin, S. 15
Kontakt zu Leser*innen
Du hattest schon einige Lesungen zu deinem neuen Buch. Was bedeutet es für dich mit deinen Leserinnen und Lesern direkt in Kontakt treten zu können?
Das bedeutet mir sehr viel! Nichts geht über den direkten Austausch mit den Leser*innen. Darum bedauere ich es sehr, dass ich zurzeit nur Lesungen in Hamburg machen kann. Umso mehr freue ich mich über Online-Formate, z. B. über die Leserunde auf Lovelybooks, durch die ich viel über die Lektüreerfahrung von Leser*innen erfahre.
Was würdest du heute einer jungen Autorin, einem jungen Autor raten?
Kommt darauf an, war er oder sie erreichen will. Wenn das oberste Ziel der kommerzielle Erfolg ist, wäre ich keine gute Ratgeberin. Da muss man wahrscheinlich dem Zeitgeist hinterherhecheln, den aktuellen literarischen Trend bedienen, sich selbst zur „Marke“ machen, möglichst wiedererkennbare Bücher in einem Hausverlag veröffentlichen. Wem es allerdings um Schreiben als Ausdruck des Versuchs geht, einen literarischen Zugang zur Welt und zu sich selbst zu finden, um das Ausloten der Möglichkeiten der Sprache, um das Auffächern der Facetten eines tieferliegenden Konflikts, den kann ich nur ermuntern: Schreib! Und dann schau weiter.
Danke!
Vielen Dank, liebe Brigit für diese Anmerkungen von dir. Ich hoffe wir treffen uns bald nochmal persönlich. Ich bin gespannt, ob du noch ein weiteres Romanprojekt in Angriff nehmen wirst.

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