Benedict Wells –Warum ich diesen Schriftsteller so mag
Sonntag, 28. Februar 2021
Hard Land von Benedict Wells
Es ist 2016. Bei der Leipziger Buchmesse. Der Blog ist noch ziemlich jung. Ich alleine auf der Messe, da Silvia nicht kann. Es ist das erste Bloggertreffen von Diogenes. Für mich! Es ist mir in guter Erinnerung geblieben. Benedict Wells stellt sein neues Buch „Vom Ende der Einsamkeit“ vor. Es sind nur eine überschaubare Anzahl Blogger da und ich anscheinend die Einzige, die noch kein Buch von ihm kennt. Alle anderen kennen seine Bücher. Der Austausch mit dem Autor ist locker und amüsant. Ich werde immer neugieriger auf seine Romane.
Das ist jetzt fast 5 Jahre her! Wahnsinn! Inzwischen habe ich alle Romane von Benedict Wells verschlungen. Ach, was habe ich mich gefreut, dass ausgerechnet in dieser Pandemie was neues von ihm kommt. Mein Leseeifer ist pandemiebedingt sehr besorgniserregend, aber das schaffe ich sicher.
Und ich habe es gelesen. Wenn auch sehr gemächlich. Wieder geht es um einen Jugendlichen (Sam) mit den normalen Problemen eines Heranwachsenden. Zusätzlich muss Sam noch mit dem Krebstod der Mutter klarkommen. Es ist das Jahr 1985. Ein kleiner Ort in den USA. Die Welt ist noch klein – so ohne Internet, Handys und Playlists. Sehr old school mäßig wird von Tapes gesprochen. Ich kenne diese Dinge alle noch, aber können sich die jüngeren unter uns das eigentlich überhaupt vorstellen? Wer kennt denn noch einen Kassettenrecorder? Nur mit größter Mühe konnte ich eine Kassette für das Fotos auftreiben.
Wir sind im Jahr 1985
Sam verbringt einen tollen Sommer im Jahre 1985. Seine Mutter ist schwerkrank, aber das will er noch nicht wahrhaben. Er ist eher der Außenseiter, hat keine Freunde. Erst als er einen Job im Kino annimmt, ändert sich für ihn alles. Mit Kirstie erlebt er seine erste Schwärmerei – von Liebe mag ich dabei nicht sprechen. Und mit den beiden Freunden verbindet ihn vieles. Er wird zum ersten Mal wahrgenommen und genießt diesen Sommer.
War Kirstie nicht im Kino, fehlte den Witzen die Pointe, war der Sommer weniger heiß, das Popcorn weniger knusprig und die Cola nicht so prickelnd wie sonst.
Diese Coming of Age Geschichte ist nichts besonderes – eigentlich. Das besondere an dem Buch sind die Worte, die Wells immer wieder findet. Ich mag seine Sprache sehr.
Wells ist ein Liebhaber erster Sätze. Er schafft es in seinen Büchern immer wieder, mich mit seinem ersten Satz in einen Bann zu ziehen. Dieses Mal natürlich auch. Aber dieses Mal sind auch die ersten Sätze Inhalt des Buches. Seine Freundin Kirstie sammelt sie und hat viele im Kopf. Überhaupt ist seine Freundin eine Büchernärrin. Verbringt Stunden in der Buchhandlung von Sams Mutter. Lernt Buchpassage auswendig.
Benedicts„Hardland“ merkt man an, dass sein Autor Kinoliebhaber und Musikfreund ist. Es gibt eine Playlist auf Spotify von den erwähnten Songs und alle namhaften Filme der 80er kommen wohl in dem Roman vor.
Im Buch geht es um die titelgebende Schullektüre „Hardland“, die Sams Freunde schon gelesen haben und Sam noch vor sich hat. Auch in dem Buch geht es ums Erwachsenwerden und anscheinend lieben alle dieses Buch, auch wenn es bisher kaum jemand wirklich verstanden hat.
Das Ende
Als ich dieses Buch las, schaute ich mir meine Aufzeichnungen der anderen Bücher an, die ich schon gelesen hatte. Dabei fiel mir auf, dass ich trotz des Lesegenusses immer wieder Probleme mit dem Schluss habe. Und das ist leider auch bei „Hardland“ wieder der Fall. Zu abgedroschen und für mich nicht plausibel. Schade! Aber das mindert das Leseerlebnis nicht. Was ist schon ein gutes Ende? Happy End oder offen? Mindestens so schwierig wie der erste Satz.
Im Mai sollte die Leipziger Buchmesse sein. Abgesagt! Schon wieder! Wie schön wäre es, dort eine Signierstunde mit Benedict zu machen. Alternativen sind gefragt. Und Diogenes hat eine tolle gefunden. Bereits vor Erscheinen des Buches gibt es ein Online-Treffen mit Wells. Auch wenn jeder in seinem eigenen Zuhause sitzt, ist es schön in dieser Gemeinschaft mit Verlag, Autor und Bloggerkolleginnen. Ich genieße es sehr und werde es in schöner Erinnerung behalten. Einzig die Signatur in meinem Buch fehlt und die herzlichen Umarmungen.
Und immer wieder Trauer und Tod
Gerne hätte ich Wells gefragt, warum der Tod in seinen Büchern so eine große Rolle spielt. In jedem seiner Romane ist Trauer ein großes Thema. So auch im aktuellen. Sams Mutter stirbt an Krebs. Die Trauerfeier ist eine meiner Lieblingsszenen im Buch.
Denn der Tod saß die ganze Zeit bei uns am Küchentisch, trank seinen Kaffee, blickte stumm auf die Uhr.
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