Evelyn Waugh: Eine Handvoll Staub
Dienstag, 19. Januar 2016
Tony Last ist recht zufrieden mit seinem Leben. Er gehört der britischen Oberschicht an, versucht nicht über seine Verhältnisse zu leben und ist dabei eigentlich recht häuslich. Er liebt seine hübsche Frau Brenda und seinen Sohn John, der so gerne auf seinem Pony reitet. Und er liebt auch sein Anwesen „Hetton Abbey“. Das riesige, alte Haus ist nur mit einer Vielzahl von Angestellten zu betreiben und ist in meiner Fantasie so ähnlich wie Downton Abbey, nur in hässlich.
John Beaver dagegen lebt noch bei seiner Mutter und versucht mit ein paar Pfund die Woche über die Runden zu kommen. Auf die Idee einer Arbeit nachzugehen kommt er irgendwie nicht. Stattdessen ist er der geborene Schmarotzer. Zu den Mahlzeiten wartet er immer, ob er nicht einen Anruf mit einer Einladung bekommt, weil irgendwo ein Tischherr fehlt. An den Wochenenden lädt er sich zu „Freunden“ aufs Land an. So meldet er sich telegrafisch für ein Wochenende auf Hetton ein, denn Tony hat bei ihrem bisher einzigem Treffen nicht widersprochen, als Beaver davon sprach, dessen Landhaus einmal sehen zu wollen.
Die Eheleute Last fügen sich und geben ihm das Zimmer „Galahad“, denn
Niemand, der dort geschlafen hat, ist jemals wiedergekommen – das Bett muss eine Tortur sein.
Beaver kommt, ein recht belangloses Wochenende vergeht. Und Tony ahnt nicht, dass es der Anfang vom Ende war…
Satire: Very british!
Das Buch ist eine witzige Satire auf die britische Oberschicht um 1930. Very british, voller Anspielungen und interessanter Namen, z.B eine Lady namens Cockpurse, eine Katze namens Blackberry, ein Pony, das Thunderclap heißt und eine Prinzessin die auf den Namen Jenny Abdul Akbar hört.
Allerdings hat das Buch auch durchaus dramatische Szenen. So stirbt ein Kind, ein Reisender stürzt einen Wasserfall hinab, Bedienstete werden drangsaliert.
Zum Teil sind die Geschehnisse schon skurril, so zum Beispiel zwei Erwachsene die „Tier-Schnippschnapp“ spielen und dabei Tierlaute ausstoßen, mit Chromplatten verkleidete Esszimmer, Dickens liebende Eremiten im brasilianischem Urwald.
Meine Lieblingsszene ist der fingierte Scheidungsgrund. Da es standesgemäßer ist, wenn der Mann den Scheidungsgrund liefert, wird der bis dahin treue Ehemann zu einem Stelldichein in Brigthon gebracht. Der Scheidungsanwalt (der des Mannes!) liefert Zeugen, bucht ein Hotel und die Bahntickets. Der „unerlaubte Geschlechtsverkehr“ wird symbolisch durch ein gemeinsames Frühstück im Bett ausgedrückt. Einfach nur witzig.
Großartig sind auch die halluzinierten Unterhaltungen am Ende des Buches, in denen die gesamte Handlung nochmal aufgegriffen, aber dabei gründlich durcheinandergewürfelt wird.
Ich hatte hier eine ältere Ausgabe (1986) in einer alten Übersetzung (durch Matthias Fienbork) stehen. Inzwischen gibt es eine neue Übersetzung aus dem Diogenes Verlag zu kaufen.
Das Buch macht auch Lust aufs backen. Allerdings habe ich keine Hinweise auf Kekse gefunden, aber durchaus auf ein anderes Kleingebäck:
Ich finde, Muffins gehören zu den wenigen Dingen, die einen englischen Winter erträglich machen.
In einem anderen Post erscheint mein passendes Muffin-Rezept.
Evelyn Waugh
Der Autor, Evelyn Waugh, wurde hierzulande vor allem durch „Wiedersehen mit Brideshead“ bekannt, als in den 1980iger dazu ein populärer Mehrteiler im Fernsehen ausgestrahlt wurde. „A Handful of Dust” wurde 1988 unter der Regie von Charles Sturridge verfilmt.
Witzigerweise war Waugh auch eine Zeitlang mit einer Frau verheiratet, die den gleichen Vornamen trug wie er selbst. Es heisst, das er mit diesem Buch diese Ehe verarbeitete.
Die Originalausgabe von „A Handful of Dust“ erschien erstmalig 1934.
Das sagen andere Blogger über das Buch:
Friederieke die Buchbloggerin
Steffen von kunstlogbuch
Dieter von dieterwunderlich.de
Evelyn Waugh: Eine Handvoll Staub, in einer neuen Übersetzung von Pociao erhältlich im Diogenes Verlag,Hardcover Leinen, 352 Seiten, ISBN 978-3-257-06913-6, € [D] 22,90
♌
Eines meiner Lieblingsbücher. Evelyn ist einfach großartig.
Übrigens: Wir haben die gleiche Ausgabe…:)
Oh. Ich dachte, Du hättest bereits die neue Übersetzung genossen. Ich war mit dieser auch schon ganz zufrieden.
Was für schöne Fotos 🙂
Das Lob bedeutet mir viel. Danke!