Norman Ohler: Die Gleichung des Lebens
Mittwoch, 10. Juli 2019
Rezension eines Romans über Leonhard Euler
Der Roman führt uns in den heißen Juli im Jahr 1747. Friedrich II, König von Preußen, hat große Pläne. Er will große Bereiche des Oderbruchs durch einen Kanal und viele Dämme trockenlegen und dort Landwirte ansiedeln. Diese sollen dort die neue, nahrhafte Erdtoffel anpflanzen. Doch die bisherigen Bewohner, die vor allem vom Fischfang dort leben, sind natürlich nicht einverstanden. Da wird er mit dem Deichbau beauftragte Ingenieur Mahistre tot aufgefunden. Ein Mord? Friedrich entsendet Leonhard Euler, den Mathematiker (Eulersche Zahl), um zum einen die Rentabilität und Kosten der geplanten Bauten zu prüfen und zum anderen den Tod des jungen Mannes zu untersuchen. Man könnte also sagen, es handelt sich bei dem Roman „Die Gleichung des Lebens“ um einen historischen Kriminalroman.
Euler als Detektiv
Die Untersuchung des Todes an dem französischen Ingenieur ist für Euler nichts anderes als eine Gleichung. Er muss nur die richtigen Bedingungen und Variablen kennen, dann wird er dieses Rätsel schon lösen. Für ihn ist alles, was noch nicht wissenschaftlich erklärt ist, eine Gleichung, die es zu lösen gilt. Wie Hercule Poirot nutzt er seine hervorragende Beobachtungsgabe und setzt scheinbar vollkommen voneinander unabhängige Dinge in einen Zusammenhang. So bleibt der Plot bis zum Schluss spannend und enthält auch einige flotte Actionszenen.
Details
Neben der Spannung der Kriminalgeschichte ermüdeten mich aber die detaillierten Schilderungen von allem. Von der Landschaft, der Flora und Fauna, der Kleidung, den Hygienegewohnheiten und den Mahlzeiten. Ohler muss sehr viel recherchiert haben. Die Details machen die Geschichte auch irgendwie realistisch und die Leserin/der Leser kann sich vieles vielleicht besser vorstellen. Doch mir ging diese Detailversessenheit manchmal auch auf den Geist. Vor allem in der Beschreibung der Kleidung. Bei jedem Neuankömmling wurden die Gewänder genau und bildhaft beschrieben. Das war mir irgendwann zu viel. Hinzu kam, dass ich einige der erwähnten Begriffe gar nicht kannte und dauernd nachschlagen musste. Das mache ich eigentlich ganz gerne, vor allem bei historischen Romanen, doch hier habe ich dann doch einiges einfach überlesen.
Interessant fand ich aber einige Tatsachen, die mir nicht klar waren. So zum Beispiel, dass die Zuckerrübe erst gar nicht zur Zuckergewinnung genutzt wurde, sondern Zuckerrohr teuer importiert wurde. Nicht bekannt war mir auch der Versuch Brandenburgs, Kolonien in Westafrika zu betreiben. Auch die Erklärungen über den Stand der Medizin waren sehr spannend.
Der Mathematiker
Leonhard Euler war tatsächlich mit der Prüfung des Oderkanals betraut. Er war ein Mann der Wissenschaft, lehnte jeden Aberglauben ab, hielt aber auch zu seiner Religiosität im Sinne des reformierten Glaubens. Das war für ihn kein Widerspruch. In der Zeit, in der das Buch spielt, war er bereits auf einem Auge erblindet, später verlor er das Augenlicht ganz. Trotzdem arbeitete er weiter. Warum auch nicht? Beethoven hat komponiert, auch als er schon taub war. Er interessierte sich nicht nur für Mathematik und Physik, sondern auch für andere Bereiche der Wissenschaft. Euler publizierte über 850 Texte und Bücher. Leonhard Euler heiratete zweimal und starb 1783. Zu dieser Zeit arbeitete er schon lange wieder in St. Petersburg, am Hof von Katharina der Großen.
Der König
Friedrich II, später auch Friedrich der Große genannt, entstammte dem Haus der Hohenzollern. Herrschte von 1740 bis zu seinem Tod 1786 über Preußen. Er schaffte es durch Kriege und gezielten Zuzug die Einwohnerzahl seines Landes zu verdoppeln. Er sah sich selbst als „ersten Diener des Staates“ und gilt als Anhänger des aufgeklärten Absolutismus. Er reformierte seinen Staat (z.B. schaffte er dort die Folter ab) und stand für einen Ausbau des Bildungssystems. Obwohl viele Kritiker das als Anfang von Ende der Herrschaft des Adels ansahen. Im Buch wird mehrmals eine mögliche Homosexualität angedeutet. Einige Forscher halten das für sehr wahrscheinlich. Im Buch wird auch auf den Konflikt mit seinem Vater eingegangen, seine gesundheitlichen Probleme und die Liebe zur Querflöte. Ebenso auf sein Interesse an Wissenschaft und seine Sparsamkeit. Ein vielfältiger Herrscher, ich werde mal nach einer Romanbiographie über ihn suchen.
Der Autor
Norman Ohler lebt in Berlin, und ist gelernter Journalist. Veröffentlichungen gab es von ihm schon im Stern, Spiegel und auch in der GEO. Er schreibt Drehbücher, dabei arbeitete er mit Wim Wenders und Dennis Hopper zusammen. Ohler veröffentlichte bereits mehrere Romane und Sachbücher. Das bekannteste ist wohl Der totale Rausch – Drogen im Dritten Reich.
Fazit
Die Gleichung des Lebens ist ein historischer Roman mit Kriminalansätzen, der viel über das Leben in Preußen in der Mitte des 18. Jahrhunderts verrät. Spannende Story mit wissenswerten aber auch uninteressanten Details aus verschiedenen Gebieten angereichert.