Ralph Tharayil: Nimm die Alpen weg
Sonntag, 18. Juni 2023

Noch eine Entdeckung in Leipzig
Als Silvia und ich im April bei der Leipziger Buchmesse waren, ließen wir uns häufig einfach so treiben. Beim Verlag Voland & Quist empfahl man uns wärmstens das Buch „Nimm die Alpen weg“. Hm, der Titel ist ja so gar nichts für mich gewesen, daher hab ich auch das Buch zunächst unterschätzt. Da die Lesung aber zeitlich gut zu der von Sabine Gelsing mit „Entzwei“ passte, hörten wir uns Ralph Tharayil gleich mit an. Und der überzeugte sofort mit seiner tollen Stimme und seinen schönen Texten.
Jede Seite ein Reel – jede Seite ein neues Kapitel
Jede Seite ein Reel – die Aussage des Autors bezieht sich auf Instagram. Dort ist ein kleines Video gemeint. Die Aussage finde ich irgendwie passend. Jedes Kapitel ist sehr kurz, quasi so kurz wie ein Reel.
Tharayil schreibt in einer unglaublichen Sprache, wahnsinnig schön, ist das Prosa? Oder Lyrik? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, finde es aber leicht zu lesen und genieße jeden Satz.

Wir suchen das Leben, das so tut, als wäre es ein Paradies
Ralph Tharayil wächst in der Schweiz als Kind indischer Migranten auf. Er schreibt in Wir-Form und meint damit ein Geschwisterkind. Gegenstand des Buches ist die Kindheit und Jugendzeit der Geschwister. Der Leser lernt Ma und Pa kennen, die viel arbeiten. Die Kinder sind häufig auf sich gestellt. Fahren viel mit ihren Velos durch die Gegend. Haben nicht viele Freunde. Die Eltern sind nervös, wenn die Freunde zu ihnen nach Hause kommen. Es ist eben alles anders bei ihnen. Die Kinder reden von ihrer und unserer Sprache.
In diesen Ferien ist nur der Sommer da
Dieses Buch ist leider sehr kurz, ich hätte noch viele weitere Seiten lesen können. Nicht alles habe ich verstanden in dieser sehr einfachen Sprache, manchmal fehlten mir die Zeilen zwischen den Zeilen. Aber das störte das Lesevergnügen in keinster Weise.
Wir stehlen uns zu den sauren
Zungen und erinnern uns, dass es ein Ende gibt, wenn jemand
von uns den Anfang macht.

Und auch der für mich anfangs merkwürdige Titel macht irgendwann Sinn. Wenn man wie die Kinder viel Fahrrad fährt, ist der Titel klar!
Nimm die Alpen weg, rufen wir und machen Spaß.
Dieser Autor erinnert mich an eine Messeentdeckung, die schon lange zurückliegt – Benedict Wells

Warum? In erster Linie natürlich wegen der schönen Sprache. Wobei die bei diesen beiden jungen Autoren gar nicht zu vergleichen ist. Aber eine schöne Eigenschaft ist bei beiden sehr ausgeprägt. Das ist die Freude am Signieren. Sie nehmen sich beide wahnsinnig viel Zeit dafür, schreiben viel ins Buch hinein und unterhalten sich mit viel Freude mit den interessierten Lesern.
Ich hoffe sehr, das Ralph Tharayil viel Erfolg mit „Nimm die Alpen weg“ haben wird. Eine Hörbuchfassung mit dem Autor selbst wäre dem Buch sicher vorzuziehen, aber bisher gibt es diese leider noch nicht.

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