Rezension: Abifeier von Eric Nil
Mittwoch, 27. Juni 2018
Abifeier – Familienscharmützel?
Meine älteste Tochter macht nächstes Jahr Abi. Schon jetzt, in der 11. Klasse (G8), sammelt sie fleißig Punkte dafür. Auch das Abschlussfest, die Abifeier, wird bereits geplant. Als ich den Titel dieses Buches gesehen habe dachte ich direkt: das muss ich haben! Mit dem Buch kann ich mich sicher auf diesen Tag optimal vorbereiten…
Familie
Der Ich-Erzähler, auch im Buch ein Autor lebt mit seiner Tochter in Hamburg. Seine Exfrau mit dem Sohn Alex in der Schweiz. Seine Tochter Nora steht im Abitur. Ein Abi-Ball ist geplant. Soweit, so normal. Doch der namenlose Autor ist mit Johanna liiert. Diese hat zwei Kinder. Den kleinen Max und Tobias. Dieser geht mit Nora auf eine Schule, sie machen zusammen Abi, haben also eine gemeinsame Abiturfeier. Sie wohnen in getrennten Wohnungen, bilden also eine Art virtuelle Patchworkfamilie.
Nicht so einfach, diese Familienkonstellation. Vor allem, weil Alex ihm die Trennung nicht verziehen hat. Vater und Sohn haben gar keinen Kontakt. Der Kontakt zur Exfrau Nora ist auch nicht ganz ungetrübt. Auch Johanna unternimmt nicht viel mit ihrem Exmann Rolf.
Statt einem Vorwort enthält das Buch auch direkt eine schematische Darstellung der Beziehungen der Protagonisten untereinander.

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Tischordnung
Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Festlegung der Tischordnung. Eine sehr amüsante Art die ganzen Konstellationen und Beziehungsgeflechte auszubreiten. Wer mit wem: dazu hat jeder eine eigene Vorstellung. Auch an anderen Tischen und den dazu gehörenden Familien geht es ähnlich zu.
Der Autor kommt dabei zu der Erkenntnis:
Es gibt glücklicherweise immer einen, dem es noch schlechter geht.
Und ich dachte, das größte Problem bei den bei uns anstehenden Abifeiern wird die Auswahl der Schuhe sein…
Die Feier
Die Abifeier selbst wird im zweiten Teil unter dem Titel „Tanzen oder nicht“ beschrieben. Die neuen Partner, also Johanna und der Autor treffen zum ersten Mal auf die Expartner der/des anderen. Das geht nicht ohne Eifersucht ab! Vor allem, als es um das Thema: Eltern tanzen mit ihren Kindern geht. Oder Eltern miteinander. So ist das mit Familie. Auch wenn man sich ewig nicht sieht, kein Wort miteinander wechselt, nichts mehr miteinander teilt
Was auch immer geschieht, wie sehr man sich einander menschlich auch entfremdet. Man bleibt verbunden. Ob man will oder nicht.
Oder wie meine Oma gesagt hätte: Blut ist dicker als Wasser.
Ach ja: die Alkoholflatrate spielt neben dem Tanzbein auch eine Rolle während der Feier.
Die Beschreibungen sind amüsant zu lesen, doch es ist kein Klamauk. Dazu sind die beschriebenen Familienkonstellationen und Streitereien zu real. Auch wenn wir bisher eine intakte Familie sind, haben wir doch Freunde, Verwandte und Bekannte, bei denen auch alles auseinandergebrochen ist. Manche gehen damit souverän um, andere nicht. Und solche Feiern, wie auch Weihnachten und Geburtstage, benötigen immer wieder Fingerspitzengefühl von allen Beteiligten.
Meine Abifeier
Meine Abifeier damals war eher rustikal. Ich trug eine Bluse und einen Rock (natürlich nicht lang), den mir meine Mutter selbst genäht hatte. Die Überreichung der Zeugnisse fand im Veranstaltungssaal unserer Stadtteilverwaltung statt. Ich habe keine großen Erinnerungen daran. Ich stolperte auf dem Weg zur Bühne, aber nicht wegen hochhackiger Schuhe. Solche wurden damals (1986) einfach nicht von Schülern getragen. Es gab kein Galadiner. Irgendwas zu essen wahrscheinlich schon. Auch die Eltern waren nach dem Festakt wieder weg. Danach wurde von uns allein weiter gefeiert. Es war viel Bier im Spiel, ich war nüchtern (ich hasse Bier), kann mich aber trotzdem an nix erinnern. Der letzte Schultag hingegen ist mir noch mit vielen Einzelheiten im Gedächtnis geblieben. Deshalb finde ich den Aufwand, den manche Abi-Jahrgänge betreiben übertrieben. Warum Abendkleider? Warum so teures Essen und erlesenen Wein? Wer würdigt das überhaupt?
Diese Einstellung hat Eric Nil mit seinem Buch verändert. Er stellte immer wieder heraus, wie wichtig eine so festliche Atmosphäre ist für die Familien und vor allem für die Schulabgänger.
„… die Abiturienten. Sie waren alle schön. Sie leuchteten alle.“
Vielleicht könnte ich mich auch besser erinnern, wenn wir einen Ball veranstaltet hätten?
Unser Jahrgang war übrigens der letzte, der in dieser Lokation feiern durfte. Ich kann mich einfach nicht erinnern, was wir alles angestellt haben…
Ich frag beim nächsten Abitreffen (wir treffen uns alle fünf Jahre) mal nach. Das wird sicher lustig.
Danach
Der dritte Teil des Buches beschäftigt sich mit der Zeit nach der Abifeier. Und den Auswirkungen der Feier auf die Familien. Neue, komplizierte Verwicklungen tauchen auf, die auf das Zusammen- und Auseinanderleben der Protagonisten Auswirkungen haben. Doch der Teil ist recht knappgehalten. Es ging dem Autor eindeutig um die Feier an sich. Das empfinde ich auch sehr positiv an dem Buch: es konzentriert sich auf das Wesentliche.
Der Autor
Noch nie was von Eric Nil gehört? Ich auch nicht. Es handelt sich um ein Pseudonym. Der Autor erzählt hier zum Teil aus seinem Leben, passenderweise in der ersten Person. Seine Familie wird wissen, wer das Buch geschrieben hat.
Im Klappentext steht zum Autor
Eric Nil ist das Pseudonym eines bekannten Romanautors, der sich bestens im Umgang mit schwierigen Familienkonstellationen auskennt.
Ich kann noch nicht mal mutmaßen, um wen es sich dabei handelt. Ist ja auch egal. Obwohl: ich würde gerne mehr von ihm lesen.
Fazit
Sehr unterhaltsamer Familienroman, der schwierige Beziehungsgeflechte von Familien und sich nahestehenden Menschen auffächert. So wird auch eines der Probleme unserer Gesellschaft (viele Scheidungen) von unterschiedlichen Seiten beleuchtet.
Ich bin froh, dass wir solche Probleme bis jetzt nicht haben und freue mich jetzt schon sehr auf die Abifeiern meiner Töchter. Sie werden schön sein und leuchten. Und ich nehme mal bis nächstes Jahr 10 Kilo ab, damit ich auch ein tolles Kleid tragen kann!
Welche Erfahrungen habt ihr mit solchen Feiern?
Infos zum Buch
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Abifeier
160 Seiten |