[Rezension] Elisabeth Strout: Mit Blick aufs Meer
Donnerstag, 4. Mai 2017
Ein Kurzgeschichten-Roman
Ein Buch über das ganz normale Leben
Ich lese keine Kurzgeschichten. Ich mag keine Kurzgeschichten. Warum schreibe ich dann über dieses Buch? Weil mir keiner gesagt hat, dass das Kurzgeschichten sind!! Auf dem Cover steht Roman. Nirgendwo in diesem Buch steht das Wort „Kurzgeschichten“.
Nun ja, vielleicht liegt es daran, dass es eine Person gibt, die sich durch das ganze Buch zieht. Olive Kitteridge. Eine Dame, die in der kleinen Stadt an der Küste von Maine Lehrerin ist, Mutter eines Sohnes und Ehefrau des Apothekers Henry. Über einen Zeitraum von 30 Jahren ziehen sich die Geschichten über die Bewohner dieser Kleinstadt. Olive ist keine sympathische oder liebevolle Frau. Aber eine, die mit beiden Beinen im Leben steht und am Leben vieler teilnimmt. In einigen der Geschichten kommt sie nur ganz kurz vor, einige drehen sie sich um ihr Leben. Vorgestellt wird Olive in jeder der Geschichten wieder neu. (Und immer grüßt das Murmeltier ;-))
Inhalt
Strout erzählt Geschichten aus dem Leben. Ehe in allen erdenklichen Ausprägungen, Scheidung, kleine Kinder, große Kinder, aber es gibt auch Extremfälle in dieser kleinen Stadt am Meer. Olive glaubt, ein normales Leben zu führen mit ihrem Mann und dem Sohn. Bis der Sohn mit seiner neuen Frau wegzieht, vergöttert Olive ihn, dann merkt sie zunehmend, dass ihr Verhältnis schwieriger wird und hadert mit ihrer Situation. Das Alter macht ihr und ihrem Mann immer mehr zu schaffen. Krankheiten und Einsamkeit nehmen zu. Und das macht auch mir im Laufe des Buches zu schaffen. Lesen läßt sich Strout immer sehr gut. Dass sie Schreiben kann, ist bekannt. Für dieses Buch hat sie den Pulitzerpreis bekommen.
Die Geschichte der Familie Kitteridge wird sehr ausführlich erzählt, die anderen Stadtbewohner finden nur innerhalb einer Kurzgeschichte Erwähnung. Ich hätte mir mehr Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten gewünscht. Das hätte dann eher einen Roman ausgemacht. Da ich sehr lange darauf baute, dass die Geschichten irgendwann einmal zusammengeführt werden, habe ich mir eine Mindmap aufgebaut, um den Überblick über die Personen nicht zu verlieren. Das war dann leider umsonst.
Warum Christiane Westermann dieses Buch auf der Rückseite des Buches als Urlaubslektüre empfiehlt ist mir nicht klar. Wegen des Titels? Das ist nämlich das einzige, was bei diesem Buch an Urlaub denken läßt. Der Inhalt wurde für mich immer bedrückender je mehr ich las. Ich habe auch darüber nachgedacht, es abzubrechen, aber Strouts toller Schreibstil hat mich bei der Stange gehalten.
Ich habe schon einige Bücher von Strout gelesen, als letztes hat mich Die Unvollkommenheit der Liebe beeindruckt. Das hat mich dazu bewogen, dieses preisgekrönte Buch zu lesen.
Lieblingszitat
Tulpen
Fragt ihr Euch, warum so viele Tulpen auf den Bildern sind? Obwohl Tulpen meine Lieblingsblumen sind, war mir bisher nicht klar, warum sie in meinem Garten nur so spärlich blühen. Die Antwort habe ich doch tatsächlich in diesem Buch gefunden. Ich mußte sehr schmunzeln über mich, da gibt es Google und Co. und ich ziehe meine Erleuchtung aus einem Roman 😉
Interview mit Elisabeth Strout
Petrina Engelke von moment-newyork hat vor einigen Jahren ein tolles Interview mit der Autorin geführt. Schaut mal hier.
Fazit
„Mit Blick aufs Meer“ beschreibt Elisabeth Strout das Leben in einer Kleinstadt. In Kurzgeschichtenform wird zwar das ganze Leben der Familie Kitteridge erzählt, die sonstigen Bewohner kommen aber nur innerhalb einer Kurzgeschichte vor. Manchmal wünscht sich der Leser mehr Informationen. Ein sehr intensives Buch über ein ganz normales Leben in einer kleinen Stadt in den USA.
BUCHDATEN
Elizabeth StroutMit Blick aufs MeerRoman 352 Seiten btb Verlag ISBN: 978-3-442-74203-5 |
Liebe Astrid,
super Idee, das mit den Tulpen, solche ungewöhnlichen Schlenker finde ich bei Rezensionen toll.
Den Buchtitel dagegen nicht – ich verstehe bis heute nicht, warum der deutsche Verlag nicht das Original „Olive Kitteridge“ beibehalten hat. Hast du eine Ahnung?
Liebe Grüße
Petrina
Liebe Petrina,
schön, dass dir meine Fotos gefallen!
Diese deutschen Buchtitel mißfallen mir leider sehr häufig. Ganz häufig passen sie einfach nicht zum Buch und sind wahnsinnig kitschig. Dabei wären die Originaltitel auch bei genauer Übersetzung aussagefähiger.
Aber dazu ist dieser Blog da, um auch immer wieder über Cover und Titel zu schreiben.
Viele Grüße nach New York
Astrid