[Rezension] O. Bourdeaut: Warten auf Bojangles
Sonntag, 25. Juni 2017
Ein Sommerbuch – fröhlich, verrückt, mit ansteckend guter Laune.
In „Warten auf Bojangles“ erzählt uns ein Junge unbekannten Alters seine Geschichte. Er führt mit seinen Eltern und einem Vogel ein mehr als unkonventionelles Leben. Der Vater hat einmal viel Geld verdient und arbeitet nicht mehr. Die Mutter, die jeden Tag auf einen neuen Namen hört, verbringt den Tag mit Verrücktheiten, mit liebenswerten Verrücktheiten. Abends wird mit Gästen gefeiert und die Nacht durchgemacht. Da der Junge, der namenlos bleibt, mitfeiert, geht er immer erst am Nachmittag in die Schule. Als der Ärger mit der Lehrerin zunimmt, wird er von der Schule genommen und pro forma zu Hause unterrichtet.
Die Eltern genießen ihr Leben, tanzen, feiern und kaufen ein Schloß in den Wolken. Getanzt wird immer nach „Mr. Bojangles“ von Nina Simone. Keine andere Platte darf auf den Plattenspieler. Sie leben unbeschwert, kümmern sich um keine Briefe, die Post wächst zu einem Berg an, der eines Tages ein großes Unglück hervorruft.
Und auch der Vater des Jungen erzählt uns seine Geschichte. Georges ist sein Name. Er liebt seine Frau über alles, liebt ihre Verrücktheiten („Kommen Sie, wir heiraten sofort, nachher vergessen wir es noch“), erkennt aber auch die Probleme, die auf die Familie zukommen, unternimmt aber nichts und genießt das schöne, beschwingte Leben mit ihr. Als der Sohn zur Welt kommt, nehmen die Verrücktheiten kurzzeitig etwas ab, aber schon bald gibt Georges seinen Job auf, um sich um Frau und Kind kümmern zu können. Eines Tages kommt Georges mit dem Sohn nach Hause und steht vor seinem Haus, in dem die Feuerwehr gerade einen Brand gelöscht hat. Ab jetzt muss sich die Familie ihren Problemen stellen.
Lieblingszitat:
Ein so schönes Bild konnte unmöglich die Folge eines Fehlers sein oder einer falschen Entscheidung, das Lichtspiel war perfekt und alle Schatten weg. Für immer.
Der Junge, der vielleicht 8 oder 9 Jahre alt ist, verdeutlicht uns, wie gut Kinder sich anpassen können. Der Junge merkt in der Schule, dass er ein anderes Leben führt als seine Klassenkameraden, die morgens pünktlich losgeschickt werden, bei denen es zu festen Zeiten etwas zu essen gibt, bei denen die Kinder abends ins Bett geschickt werden. So fängt der Junge an zu lügen. Lügen, die die Lehrerin von seinem Zuhause hören möchte. Lügen, die die Eltern aus der Schule hören möchten. Lügen, um mit seiner Umwelt klarzukommen. „Die Wahrheit taugt nichts, dabei war sie diesmal sogar lustiger als die Lüge.“
Die Sprache des Buches ist einfach umwerfend. So liebevoll, lebensbejahend, bezaubernd. Und trotzdem teilweise so tragisch und wehmütig.
Bei Tageslicht zu weinen ist wirklich etwas anderes, der Traurigkeitsgrad ist ein anderer.
Dies ist wieder einmal eins der Bücher, die man entweder richtig toll findet oder überhaupt nicht mag. Natürlich ist dieses Buch völlig überzogen und abstrus, aber auch wenn man weiß, dass das alles völlig unrealistisch ist, kann man es lieben. Oder eben auch nicht! Ich habe mich für ersteres entschieden.
Ich hoffe sehr, dass wir von diesem Autor noch mehr hören. Vielleicht zur Buchmesse in Frankfurt? Da Frankreich dieses Jahr Gastland der Buchmesse ist, hoffe ich sehr, dass dieses Buch und vielleicht auch der Autor vertreten ist.
Fazit
„Warten auf Bojangles“ ist ein sehr lebensbejahendes Buch, das einen trotz aller Verrücktheiten motiviert, sein Leben etwas lockerer zu nehmen und auch mal fünfe gerade sein lassen sollte.
INFOS ZUM BUCH
Warten auf BojanglesROMAN € 18,00 [D], Erschienen am 01.03.2017, 160 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Übersetzt von: Norma Cassau ISBN: 978-3-492-05782-0 Piper Verlag |
Liebe Astrid,
Eine sehr schöne und aussagekräftige Rezension hast du geschrieben. Danke dafür.
Ich habe schon eine Weile mit dem Titel liebäugelt. Besonders den Charakter der Mutter fand ich sehr interessant, da sie ja anscheinend etwas manisches hat und da sofort mein psychologisches Interesse geweckt ist. Nach deiner Rezension bin ich mir jetzt aber nicht mehr so sicher, ob das Buch wirklich etwas für mich ist. Gerade wenn es so überzogen ist, wird mir das wohl eher nicht so gut gefallen, da ich eher an psychologisch korrekteren Darstellungen interessiert bin.
Andererseits gefällt mir der Schreibstil, wie ich ihn aus den Zitaten entnehmen kann, wirklich sehr gut. Danke, für die schöne Auswahl an kleinen Ausschnitten.
Vielleicht hole ich mir einfach eine Leseprobe und gucke mal, ob das Buch nicht doch was für mich sein könnte.
Liebe Grüße und eine schöne Woche, Julia
Liebe Julia,
ja, ich glaube, eine Leseprobe wäre für dich genau richtig. Da kann man bei diesem Buch sehr schnell erkennen, ob es etwas für einen selbst ist. Vielleicht findest du es ja auch in der Bücherei oder Onleihe. Dann schmerzt es nicht so, wenn Du es wieder weglegst.
Der Sprachstil ist einfach klasse und ich merke immer mehr, dass mir das fast am wichtigsten ist an einem Buch.
Viele Grüße, Astrid
Ja, da hast du recht. Der Sprachstil macht so viel aus. Ich habe zum Beispiel gerade ein Buch gelesen und es hat mir nicht so gefallen. Als ich dann die Rezension dazu geschrieben habe, habe ich festgestellt, dass ich eigentlich viele Aspekte des Buches, zB den Umgang mit bestimmten Themen, richtig gut fand. Mein einziger großer Kritikpunkt war aber der Schreibstil, mit dem ich einfach nicht klargekommen bin und der mein Lesevergnügen dann auch stark beeinträchtigt hat. Das hat eben einen großen Einfluss.
Ich bin ja Stammkundin in unserer Bücherei, da haben sie das Buch leider nicht. Aber ich werde mal in der Onleihe gucken. Danke für den Tipp. 🙂
Liebst, Julia
Liebe Astrid!
Deine Rezension ist klasse und „Warten auf Bojangles“ klingt nach einer tollen Lektüre, die man auch mit in den Urlaub nehmen kann (in meinem Fall Madeira :)) !! Ich liebe momentan Geschichten, die so einen langzeitigen positven Effekt auf mich haben und einfach nur das Leben feiern 🙂
Liebe Grüße
Svenja https://pantaubooks.wordpress.com/
Ich wünsche Dir viel Spaß beim Lesen. Hoffentlich magst du es so wie ich. LG Astrid
Hallo Astrid,
ein Buch mit einem meiner All-Time-Favourite-Songs im Titel? Das musste ich mir direkt mal näher anschauen. Allerdings kannte ich bisher nur die Versionen von Sammy Davis jr. (sehr genial) und Robbie Williams. Die Nina Simone-Version habe ich direkt mal bei youtube gesucht – wunderschön! Dafür also schon mal vielen Dank 😉
Aber auch das Buch hört sich wirklich interessant an, ein bisschen verrückt mit etwas Komik und Tragik, werde ich mir vormerken.
Liebe Grüße
Thomas
Hallo Thomas,
ich traue mich ja gar nicht zu sagen, dass ich das Lied erst lange nach dem Buch gehört habe. Als ich das Buch im Urlaub las, hatte ich keine Möglichkeit auf Youtube zuzugreifen. Eigentlich hätte man das Lied als Endlosschleife beim Lesen im Hintergrund hören müssen.
Bin gespannt, ob du irgendwann Zeit für dieses Buch hast 😉
LG Astrid
Dann werde ich bald mal schauen, ob ich zur Liebe- oder Hass-Fraktion gehören werde. Das Buch ist als Urlaubslektüre schon auf den Reader gepackt. Viele Grüße, Petra
Liebe Petra,
da bin ich gespannt. Ich hoffe, es gefällt dir. Ein schönen Urlaub.
Viele Grüße Astrid
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