Rezension: Kampfsterne
Sonntag, 9. September 2018
Alexa Hennig von Lange: Kampfsterne
Eine Vorortsiedlung mit adretten Einfamilienhäusern. Dort wohnen nette Familien mit Kindern. Eine gute Nachbarschaft mit Hausfrauen und gut geförderten Kindern. Ein perfektes Leben. Oder nicht?
Dort wohnen auch Rita und Ulla mit ihren Familien. Sie sind Freundinnen. Oder doch nicht? Sind sie nicht eher feindliche Kampfsterne? Der Roman gibt Einblick in eine vermeintliche Vorstadtidylle, dem dort herrschenden Neid, den Intrigen und Geschehnissen hinter verschlossenen Türen.
Neid
Rita, die perfekte Hausfrau glüht vor Neid. Ihre Tochter Klara ist ein „hässliches Käuzchen mit Krächzestimme“ und kein „anmutiges Singvögelchen“ wie Lexchen, die kleine Tochter ihrer „Freundin“ Ulla.
Rita erträgt den Unterschied zwischen den Kindern nicht. Sie versucht Lexchen das Leben zur Hölle zu machen. Rita kommt erst gar nicht auf die Idee auf die Stärken ihrer eigenen Tochter zu achten oder vielleicht Lexchens Fröhlichkeit auf deren Erziehung zurückzuführen.
Gewalt
Ulla lebt in einem besonders schönen Bungalow, mit besonders schönem Garten. Sie und ihr Mann sind Architekten und haben einen Blick für gutes Design. Ulla wird von ihrem Mann geschlagen. Sie nimmt das einfach hin, wie so häufig bei häuslicher Gewalt. Alle wissen es, keiner macht was dagegen, keiner hilft.
Begabung
Wie in den 80igern es sehr modern war, wurden Kinder gefördert. Mit Musikunterricht, Ballettunterricht etc. Viele Kinder sind „sonderbegabt“. Als meine Kinder klein waren gab es diese Strömung ebenso. Es gab Tests um die Hochbegabung der Kinder zu testen. War eines schlecht in der Grundschule, wurde direkt der Verdacht laut, dass das Kind zu schlau und deshalb unterfordert war. Natürlich gibt es das, keine Frage. Doch scheint jede Generation Unmengen von Genies hervorzubringen. Wo sind sie nur alle?
Lexchen
Der Sonnenschein des Buches. Sie ist fröhlich, will Spaß haben und mit ihren Freunden spielen. Sie läuft singend und tanzend durchs Leben. Ein Traumkind! Sie versteht die Spielchen der Erwachsenen nicht. Warum darf sie nicht mehr mit ihrem besten Freund spielen? Warum grenzt Rita sie aus? Es bricht einem fast das Herz, wie Lexchen leidet. Sie ist der Gegenpol zur bösen Rita.
Constanze
Lexchens ältere Schwester. Sie ist hübsch, agil, sportlich, musikalisch und sexy. Halt ein attraktive 16jährige. Sie ist es, die im Buch von Rita als Kampfstern tituliert wird
„Die ist gefährlich. Um ein Hundertfaches unberechenbarer als ihr Vater. Sie ist wie ein fliegender Kampfstern.“
Interessant wird es, als Constanze sich mit Johannes, Ritas schlauem, etwas nerdigem Sohn zusammentut.
Klara
Ritas Tochter. Sie ist völlig normal und nicht so trampelig, wie ihre Mutter sie sieht. Sie ist die tragische Figur des Romans. Was sie alles erleidet, bis sie endlich mal ihren eigenen Willen auch vor sich selbst bekundet. Ihre Kindheit wird im Roman jäh beendet.
Story
Wie Planeten umkreisen sich die Protagonisten in der Siedlung. Die Perspektive wechselt häufig, wir lernen de Sichten von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen kennen. Jedes Kapitel ist mit dem Namen der erzählenden Person überschrieben. Die Sequenzen wechseln häufig und werden chronologisch erzählt. Manchmal gibt es ein Ereignis auch aus verschiedenen Sichten, eine Erzähltechnik, die ich sehr mag.
Und plötzlich passieren einige Dinge, die alles aus den Fugen reißen, die alles umkehren und einige der Planeten in ein schwarzes Loch ziehen.
80iger Jahre
Im Moment gerate ich dauern an Bücher, die für mich zum Teil eine Zeitreise in meine Jugend sind. So auch dieses hier. Anspielungen auf Fernsehserien (z.B. „Unsere kleine Farm.“), Spiele, Essen, Musik und Bücher. Boris Becker, Wolfgang Siebeck und Alice Schwarzer. Freundschaftstapes (Cassetten mit individuell auf den Empfänger zugeschnittener Musik). Gestrickte Tops. Da auch ich in einer ähnlichen Siedlung (allerdings keine Bungalows, sondern Reihenhäuser) aufgewachsen bin hatte ich viele Erinnerungen an meine Vergangenheit. Auch wir hatten die Garagen nicht am Haus, sondern Garagenhöfe. Rund um die Häuser gab es keine Straßen, nur Gehwege.
Galactica
Das Wort Kampfstern vervollständige ich automatisch mit Galactica. Geht es dir auch so? Bei Kampfstern Galactica handelt es sich um eine Sci-Fi-Serie aus Zeiten vor Netzflix und Co. Sie wurde Ende der 1980iger Jahre auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. 2013 wurde sie restauriert und auf HD-Qualität erneut veröffentlicht.
Fazit
Vielschichtiger Roman, der mich in die 1980iger zurückkatapultierte. Es wird die damalige Zeit genauso reflektiert wie die Beziehungen zwischen den handelnden Personen. Durch die verschiedenen Perspektiven erscheinen seltsame Handlungen plötzlich nachvollziehbar. Kurzweiliger Roman über eine typisch deutsche kleine Siedlung.
Weitere Stimmen zum Buch
Evi von Literat(o)ur
Tobias von Buchrevier
Ingrid von Buchsichten
Infos zum Buch
Autorin: Alexa Hennig von Lange
Titel: Kampfsterne
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