Murakami: Commendatore Teil 1
Mittwoch, 14. Februar 2018
Die Ermordung des Commendatore: Eine Idee erscheint
Ein Mann wird von seiner Frau verlassen, packt seine Sachen und geht auf eine Autotour. Diese führt ihn letztendlich in ein einsames, kleines Haus in den Bergen. Dort möchte er ein neues Leben beginnen. Die namenlose Hauptperson ist Maler. Nach dem Kunststudium arbeitete er freiberuflich als Porträtmaler. Das birgt zwar keine künstlerische Erfüllung, aber ein gesichertes Einkommen. Davon will er sich freimachen. Da der Hauprotagonist im Buch keinen Namen erhält, nenne ich ihn in dieser Buchbesprechung den „Maler“. Er lebt kostengünstig in diesem Haus, das einem Freund gehört und leer steht, seit dessen Vater wegen Demenz in ein Heim gehen musste. Nebenbei gibt der Maler Malkurse für Kinder und Erwachsene im nächsten Ort.
Bis dahin ist das Buch recht ruhig. Es gibt zwar ein paar handlungsreichere Episoden während seiner Reise durch das Land, doch plätschert eher alles so dahin. Doch dann, als alles zur Ruhe gekommen zu sein scheint, passiert schnell hintereinander so Einiges. Das Buch wird plötzlich richtig spannend!
Der Maler findet ein geheimnisvolles Bild, das diesem Buch den Namen gibt. Ein reicher Mann macht ihm ein sehr gutes finanzielles Angebot, wenn er nochmal ein Porträt malt und nachts erklingt eine geheimnisvolle Glocke, die dem Maler den Schlaf raubt.
Ich möchte in dieser Besprechung keine traditionelle Rezension schreiben, sondern auf einige Aspekte aus dem Buch genauer eingehen. Und zwar auf Punkte, die mich dazu brachten im Internet den Hintergrund zu erforschen.
Japan
Für mich ein sehr geheimnisvolles Land. In Größe, Wirtschaftskraft und Klima ist es Deutschland nicht unähnlich, aber die Werte der Japaner scheinen anders gewichtet zu sein. Mein Bild von diesem Land ist von Vorurteilen geprägt. Alle Japaner trinken nur Tee, essen rohen Fisch und verbeugen sich ständig. Alle Zimmer sind klein, das Leben ist von Traditionen geprägt, das Frauenbild seltsam, alle Haare schwarz, die Gesichter unbewegt. Dieses Bild wird durch ein solches Buch natürlich über den Haufen geworfen.
Ich habe nie mit dem Gedanken gespielt selbst nach Japan zu fahren, doch irgendwie prasselt von allen Seiten Japan auf mich ein. Vor allem durch meine Töchter, die durch Mangas und Animes sehr an diesem für mich fremden Land interessiert sind. Meine jüngere Tochter lernt sogar ein wenig japanisch.
Campen
Im Buch gibt es Szenen die Campingplätze erwähnen. Ein campender Japaner: das passt überhaupt nicht in mein Bild!
Meine Recherchen ergaben, dass die viele Japaner Camping auch strikt ablehnen. Doch die Liebe zur Natur macht diese Art des Urlaubs vor allem bei jungen Menschen sehr beliebt. Es soll ca. 3000 Plätze im Land geben, viele unter staatlicher Aufsicht und viele in Nationalparks in denen Wildcampen strikt verboten ist. Auf der Insel Niijima soll man überall wild und kostenlos zelten können. In Tokyo gibt es einen Platz ganz in der Nähe einer U-Bahn-Station. Ich muss langsam das historische Bild von Japanerinnen in Kimonos, die durch die Gegend trippeln, aus dem Kopf bekommen. Ich denke moderne, japanische Literatur bietet mir da einen guten Einstieg.
Murakami 村上
Der Nachname des Autors ist auch der Name einer Stadt in Japan, sie wird im Buch erwähnt.
Diese Stadt liegt an der Westküste der Hauptinsel in der Präfektur Niigata und beherbergt eine gleichnamige Burg. Sie hat ca. 60000 Einwohner.
Im 10. Jahrhundert gab es auch mal einen Tenno, also einen japanischen Kaiser mit dem Namen Murakami. Auch ein Krater auf dem Mond ist so benannt.
Namen
Murakami hat sicher auch die anderen Namen im Buch nicht zufällig gewählt. So, wie die Haupterson gar keinen Namen bekommt, sind die anderen auch sprechend. So bedeutet Menshiki 面識 (das ist der reiche Nachbar, der ein Porträt möchte) so viel wie Bekanntschaft. Die geliebte Frau, die sich vom Maler trennte ist nach einer Zitrusfrucht benannt, während ein Mädchen einfach Marie heißt. Ich bin gespannt, ob dieser Name im zweiten Teil noch eine Bedeutung erhält.
Meine Tochter erzählte mir auch, dass man sich in Japan normalerweise erst mit Nach-, dann mit Vornamen vorstellt. Also Murakami Haruki. Wir haben dann noch etwas gerätselt, welcher Teil nun der Nachname des Autors ist, doch Haruki war ihr nur als Vorname bekannt. Mich würde interessieren, wie die Übersetzerin damit umging.
Musik
Vor diesem Buch habe ich erst zwei Bücher des Autors gelesen. Eines davon war „Die Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki“. Dieses Buch bot mir eine Symbiose aus dem Text mit der passenden Musik. Solche Bücher liebe ich! Auch im Commendatore spielt Musik eine große Rolle. In dem Haus, das der Maler bewohnen darf, gibt es eine Stereoanlage und jede Menge Schallplatten. Ausschließlich klassische Musik, sehr viele Opern.
Um sich eine bessere Vorstellung von der im Buch angesprochenen Musk machen zu können gibt es eine passende Playlist auf Youtube. Und keine Angst: es wird nicht nur Klassik gespielt.
Don Giovanni
Der Maler findet versteckt im Dachboden ein Bild des Mannes, der vorher in dem Haus wohnte. Es zeigt eine Szene aus der Oper Don Giovanni. In dieser Oper von Mozart wird das Don-Juan-Thema aufgegriffen. Bereits im ersten Akt will Don Giovanni ein Stelldichein mit einer jungen Frau, ihr Vater überrascht sie, Don Giovanni tötet ihm im folgenden Kampf vor den Augen seiner Angebeteten und seinem Diener. Diese Szene wird auf dem gefundenen Bild dargestellt. Allerdings versetzte der Künstler die Szene ins 7. Jahrhundert, in die Asuka-Zeit, was sich vor allem in der Kleidung auf dem Bild wiederspiegelt.
Ich denke, die Story dieser Oper wird noch eine Rolle im Verlauf des zweiten Teils des Buches spielen.
Nihonga
Das Bild „Die Ermordung des Commendatore“ wurde im sogenannten Nihonga Stil gemalt. Der bevorzugte Malstil des Mannes, in dessen Haus unser Maler lebt. Ich muss gestehen, dieser Ausdruck sagte mir gar nichts. Ich muss unbedingt mal wieder ins Museum für ostasiatische Kunst und Kultur hier in Köln, dort finde ich sicher passende Bilder. Das Buch geht auch recht ausführlich auf diesen Stil und seine Besonderheiten ein. Ich habe es so verstanden, dass es ein typischer japanischer Kunststil ist, der sich von allen anderen Kunstrichtungen absetzen möchte und typische japanisch sein möchte. Wenn ich mir die Ergebnisse der Suchmaschinensuche zu diesem Begriff ansehe, würde ich die Bilder auch direkt mit Japan verbinden.
Nochmal zum Buch
Heute habe ich den Prolog noch einmal gelesen. Er wird in diesem ersten Teil noch nicht erklärt. Zusammen mit dem Cliffhanger am Ende des Bandes bin ich jetzt sehr gespannt auf den zweiten Teil. Ich möchte wissen wie es weitergeht und ein paar lose Fäden zusammenknüpfen. Besonders erwähnen möchte ich noch die schöne Aufmachung des Buches. Der schwarze Farbschnitt, der transparente Umschlag und die schöne Gestaltung der Buchoberfläche ist sehr gelungen.
#MurakamiLesen
Ende Januar gab es eine schöne Aktion vom Dumont-Verlag. Einen ganzen Tag gemeinsam Murakami lesen und über seine Bücher twittern. Mit Gewinnspielen, Fragen und auch ein paar steuernden Bloggern wurde das ein sehr abwechslungsreicher Tag. Eine sehr gelungene Aktion, in der sich auch plötzlich Prominente (Matts Hummels) zu Wort meldeten. Geleitet wurde diese Aktion übrigens von Torsten Woywod.
Fazit
Ich muss zugeben, dass Murakami mich nur wirklich erreicht, wenn er über Musik und Kunst schreibt. Ansonsten empfinde ich seinen Stil als distanziert. Ist das typisch japanisch? Doch das Buch wird ab der zweiten Hälfte richtig spannend, die Fantasy-Beigaben sind sehr natürlich wirkend integriert. Mein Tipp: warte bis der zweite Teil erschienen ist und lese dann beide direkt hintereinander, der Cliffhanger ist schwer zu ertragen.
シルビア
Infos zum Buch
Die Ermordung des Commendatore, Teil 1: Eine Idee erscheint Haruki Murakami übersetzt von Ursula Gräfe Dumont Buchverlag ISBN 978-3-8321-9891-6 480 Seiten |
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