Rezension: Drei Debütromane
Sonntag, 5. Juli 2020
Kurzbesprechung dreier sehr unterschiedlicher literarischer Debüts
Dieses Jahr habe ich schon einige Debütromane gelesen. Dies war eigentlich Zufall. Allerdings habe ich schon das Gefühl, dass ich durch die Teilnahme an der Jury für den Bloggerpreis vom Blog Das Debüt in den letzten Jahren stärker auf neue Autor*innen achte. Hier stelle ich drei sehr unterschiedliche Romane vor. Einer stammt von einer Belgierin, einer spielt in Argentinien, der dritte spielt in Köln. Alle haben eines gemeinsam: sie boten mir großes Lesevergnügen und ich empfehle sie sehr gerne weiter.
Theres Essmann: Frederico Temperini
Jürgen Krause hat es trotz guter Voraussetzungen „nur“ zum Taxifahrer gebracht. Vielleicht ein Grund, warum seine Ehe in die Brüche gegangen ist? Er kämpft um die Liebe seines Sohnes, der mit Mutter und Stiefvater jetzt weit weg wohnt. Nicht einfach mit einem Teenager, der vielleicht auch nicht genau weiß was er möchte.
Da bekommt Jürgen das Angebot einem älteren Herrn an einigen Abenden als Chauffeur zur Verfügung zu stehen. Das Ziel ist meistens die Kölner Philharmonie. Der Fahrgast Frederico Temperini ist Paganini-Fan und versucht auch Jürgen dafür zu interessieren. So besuchen sogar zusammen ein Konzert und gehen spazieren. Allerdings alles doch nicht als Freunde, sondern eher als Chef und Angestellter. Die Leben der beiden vermischen sich mit dem von Paganini, viele klassische Musiktipps sind enthalten. Doch die Bezüge auf Klassik sind auch für nicht-Liebhaber dieser Musikgattung geeignet. Denn das Thema ist die Beziehung zischen diesen Männern, ihre Vergangenheit und ihre Zukunft. Diese Novelle wird mir lange im Gedächtnis bleiben.
Dieser Roman spielt in meiner Heimatstadt Köln und zum Teil in einem meiner liebsten Gebäude dort: der Kölner Philharmonie. Die Autorin Theres Essmann wurde im gleichen Jahr geboren wie ich und pendelt zwischen Köln und Stuttgart hin und her, ebenso wie auch der Sohn von Jürgen Krause.
Eine ausführliche Rezension findet ihr auf dem Blog Sätze & Schätze.
Das Buch erschien übrigens im unabhängigen Verlag klöpfer, narr.
Damiano Femert: Rivenports Freund
Dieses Buch führte mich nach Argentinien in das Jahr 1952. Rivenport führt ein ausgefülltes, aber langweiliges leben in einer verschlafenen Kleinstadt nahe zur chilenischen Grenze.
Da taucht plötzlich schwer verletzter Mann im Ort auf. Er leidet unter einer totalen Amnesie. Er kann sich weder daran erinnern wer er ist noch woher er kommt. Selbst die Sprache muss er mühsam neu erlernen. Rivenport nimmt ihn unter seine Fittiche. Doch als er Kurt (wie er dort genannt wird) in seine Leidenschaft der Lepidopteroligie (Schmetterlingskunde) einweisen möchte, erweist sich Kurt plötzlich als sehr störrisch. Er weint, als ihm klar wird, was mit den Schmetterlingen, die sie in der Wildnis gefangen haben passieren soll. Freiheit scheint Kurz das wichtigste zu sein. Das Buch hat etwas von einer Kaspar Hauser Geschichte Rivenport versucht mit allen Mitteln hinter das Geheimnis von Kurts Herkunft zu kommen. Damit wird ein spannender Bogen gespannt. Die große Stärke des Romans liegt meines Erachtens in der Zeichnung von Nebenfiguren. Dabei haben es mir vor allem die Haushälterin und die Äbtissin des benachbarten Klosters angetan.
Der Autor Damiano Femfert hat seinen Erstling bei Schöffling & Co. veröffentlicht. Eine ausführlichere Rezension findet ihr auf dem Blog Bücherkaffee.
Adeline: Dieudonné: Das wirkliche Leben
Ein junges Mädchen lebt in einer Siedlung am Rande einer Stadt. Ihr Leben ist geprägt von den gewalttätigen Entgleisungen des Vaters und der Liebe zu ihrem jüngeren Bruder. Da erleiden die beiden Kinder ein Trauma, aus dem sich der Bruder nur durch eigene Gewalttaten zu befreien weiß. Die junge Heldin, sehr begabt in Naturwissenschaften nimmt sich zum Ziel ein Zeitmaschine zu bauen und dieses Unglück zu verhindern, so dass ihr Bruder wieder der alte wird. Nebenbei erlebt sie die Pubertät, erste Liebe, Verluste. Sie wird in die Rolle als Opfer und Fluchttier gedrängt. Ihre intellektuellen Erfolge lassen den Vater mit noch mehr Gewalt reagieren. Schnell wird aus dem träumenden Mädchen eine junge Frau, die ihre Ziele zu verfolgen weiß. Doch die Verwirklichung wird durch Gewalt immer wieder in Frage gestellt. Trotz des harten Inhalts leichtfüßig geschrieben.
Die Autorin Adeline Dieudonné lebt in Brüssel und wurde für dieses Buch mit Literaturpreisen regelrecht überschüttet.
Eine ausführlichere Rezension habe ich auf dem Blog Die Liebe zu den Büchern gefunden.
Weitere aktuelle Debütromane
Drei Leben lang von Felicitas Korn
Brauch Blau von Julia Malik
Der Sommer im Garten meiner Mutter von Ariela Sarbacher
Marianengraben von Jasmin Schreiber
Für immer die Alpen von Benjamin Quaderer
Meine Schwester die Serienmörderin von Oyinkan Braithwaite
Miracle Creek von Angie Kim
Liebe Silvia,
vielen Dank für die Verlinkung und die feine Besprechung. Ich freue mich, dass Dir der „Federico Temperini“ gefallen hat.
Der Hinweis auf „Rivenports Freund“ klingt interessant – das schaue ich mir näher an.
Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende,
Birgit
Hallo Birgit,
ich danke dir für deine schöne Buchbesprechung. Auf deinem Blog bin ich sehr gerne unterwegs.
Viele Grüße
Silvia