Fritz J. Raddatz: Mein Sylt
Dienstag, 27. Januar 2015
„Sylt ist ein nicht enden wollendes, sich ständig erneuerndes stetes kleines Wunder.“
Ein kleines, aber feines Buch über die Nordseeinsel Sylt. Allerdings nur für Syltkenner und –liebhaber zu empfehlen. Die werden das Buch mögen oder gar lieben, die anderen werden vermutlich nur den Kopf schütteln.
Der Autor weilt regelmäßig auf der Insel, die er lieb gewonnen hat. Er erzählt von der Insel, dem Meer, dem Strand und erheitert uns mit Anekdoten aus seinem Sylter Leben. Er erinnert sich an Begegnungen mit Rudolf Augstein, Hubert Fichte, dem Barkeeper Karlchen oder auch an den Keitumer Pastor, der ihm ans Herz gewachsen ist.
Das Buch ist voll von Zitaten über die Insel: Thomas Mann: „Tatsächlich hat ja Westeuropa zwischen Hammerfest und Gibraltar nichts ihresgleichen.“
Ernst Petzoldt: „Gott hat hier alles vorgefunden, was zur „Herstellung“ des Menschen nötig ist. Sand und Lehm für die Gestalt, Wind genug für den Atem, die Sprache und die Seele, Feuchte genug für Tränen, Bläue genug für die Augen, Steine für das Herz in der Brust.“
Dem Autor geht es so wie mir. Auch er schafft es nicht immer, seine Begeisterung für die Insel zu vermitteln. „So vermochte ich auch einem Besucher aus Paris nicht klarzumachen, warum ich hier so glücklich bin – er war entgeistert über die karge „Mondlandschaft“ und konnte nicht schnell genug zurückeilen zu Oper, Museen, Vernissagen.“
Geschrieben in einer poetischen, bildhaften Sprache beschert es einem ein paar wenige – weil so kurz – Lesestunden.
Dieses Buch hätte gerne noch viel mehr Seiten haben können. Zwischen den schönen Beschreibungen viele Schwarz/Weiß-Fotos von der Insel.
Die einzige Passage im Buch, die mir nicht gefällt, ist die Sache mit dem Friedhof. Da hat sich der Autor schon vor fast 40 Jahren ein Grab ausgesucht, da er gerne auf Sylt beerdigt werden möchte. Ein schönes Grab mit Wattblick. Der Schriftsteller, Jahrgang 31, weilt noch unter uns und so ärgere ich mich mal wieder über die Reservierungsmentalität der Deutschen. Er kommt mir vor wie die Urlauber im Spanienurlaub, die sich bereits morgens um 7 Uhr eine Liege in bester Lage reservieren, sich dann aber den ganzen Tag nicht blicken lassen. Und das auf dem beliebten Sylter Friedhof! Da hätte doch in den letzten Jahrzehnten schon mal jemand das Grab benutzen können, es wäre ja jetzt vielleicht schon wieder frei.
Noch ein guter Rat vom Autor: „Wer in der Hochsaison an derlei Orte reist – ist selber schuld. Der kluge Mann bleibt in diesen Monaten zu Hause…“
Dieses Büchlein passt perfekt zu dem Blogpost von Mara, die über ein literarisches Haltbarkeitsdatum schreibt. (hier klicken) .„Mein Sylt“ ist fast 10 Jahre alt, 2006 erschienen, und es ist noch genauso aktuell wie damals. Die Insel und das Meer haben sich nicht sehr verändert. Mir ist es allerdings unbegreiflich, warum ich jetzt erst auf diesen kleinen Schatz gestoßen bin.
Wer sich auch für „mein“ Sylt interessiert, kann sich hier ein paar Fotos ansehen (hier klicken).
Nachtrag am 28.02.2015: Mit Bedauern habe ich vor ein paar Tagen gehört, das der Autor verstorben ist. Vielleicht besuche ich ihn eines Tages an seinem Grab auf dem Sylter Friedhof…
Mein Sylt, Fritz J. Raddatz, ISBN 978-3-936384-26-0, Fotografien von Karin Székessy, 156 Seiten