Interview mit K.C. Zehrer
Mittwoch, 13. Dezember 2017
Klaus Cäsar Zehrer im Interview
Klaus Cäsar Zehrer ist der Autor des Debütromans Das Genie, den ich auf dem Blog vor ein paar Monaten bereits besprach. Dieses Buch ist ebenfalls auf der Shortlist des Blogger-Literaturpreises vom Blog Das Debüt.
Zehrer ist promovierter Kulturwissenschaftler und lebt in Berlin. Das Genie ist sein erster Roman, aber nicht seine erste Veröffentlichung. Gemeinsam mit Robert Gernhardt brachte er bereits die Anthologie Hell und Schnell heraus, die sich mit komischer, deutschsprachiger Lyrik auseinandersetzt. Zehrer lebt als freier Autor, Herausgeber und Übersetzer in Berlin. Er ist Baujahr 1969, also mit mehr Lebenserfahrung bedacht als viele andere Debütanten.
Interview
Silvia: Das Buch handelt von zwei Genies. Von William und seinem Vater Boris. Warum haben Sie auch dessen Geschichte so ausführlich erzählt?
Zehrer: Zum einen, weil auch Boris‘ Biographie schon so außergewöhnlich ist, dass es Verschwendung von großartigem Erzählstoff gewesen wäre, sie zu unterschlagen. Aber vor allem, weil man Williams Lebensgeschichte nicht richtig verstehen kann, wenn man seine Eltern und ihren Hintergrund nicht kennt. Er war ja sozusagen ihre Schöpfung.
Silvia: Wie erklären Sie sich, dass so intelligenten Menschen wie Williams Eltern nicht klar war, dass auch soziale Fähigkeiten nötig sind um sein Leben zu meistern?

Foto: Steffi Roßdeutscher/ © Diogenes Verlag
Boris und William
Zehrer: Das ist in der Tat rätselhaft. Offenbar glaubte Boris, dass ein Kind, das jede mathematische Aufgabe lösen kann, mit Alltagsproblemen erst recht keine Schwierigkeiten haben wird. Außerdem war sein Blick so sehr in die Ferne gerichtet, auf die Schaffung einer besseren Welt voller glücklicher Bildungsbürger, dass er übersah, was sich direkt vor seinen Augen abspielte – nämlich, dass William mit seiner Rolle als Dressurpferd in der Zirkusmanege seines Vaters überhaupt nicht glücklich war.
Silvia: William entschied sich, sein Können nicht der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Welche Verantwortung für die Gesellschaft tragen so schlaue Köpfe?
Zehrer: Sehr große, denn sie sind in der Lage, eine Gesellschaft völlig zugrunde zu richten. Das wusste auch William James Sidis. Er entzog sich ja genau deshalb den Leistungserwartungen, die man in ihn gesetzt hatte, weil er sich nicht mitschuldig machen wollte an einem zerstörerischen System, das er radikal ablehnte. Er wäre gerne Rebellenführer und Sozialrevolutionär geworden, ein ehrenwerter Beruf. Leider fehlte ihm die nötige Qualifikation.
Silvia: Wen würden Sie aus der heutigen Zeit als Genie bezeichnen?
Zehrer: Lionel Messi.
Erziehung
Silvia: Mit der Antwort habe ich nicht gerechnet! Ihr zweiter Vorname ist Cäsar. Welche Erwartungen hatten Ihre Eltern an Sie?
Zehrer: Vornehmlich die Erwartung, immer schön brav den Teller leerzuessen. Ich entstamme, wie man so sagt, einem bildungsfernen Milieu. Mein Latein musste ich mir in sudore vesceris selbst beibringen. Der zweite Vorname war mir dabei keine Hilfe.

Foto: Maurice Haas / © Diogenes Verlag
Silvia: Haben Sie Kinder? Wie sollte man Kinder bei uns mit gesunden Maß fördern?
Zehrer: Ich habe selbst keine Kinder und kann deshalb unbeeinflusst von eigenen Erfahrungen schlaue Ratschläge an alle Eltern verteilen. Zum Beispiel den, immer darauf zu achten, welche Neigungen und Bedürfnisse die Kinder selbst haben. Und das nicht zu verwechseln mit dem, was die Eltern sich von ihnen erhoffen.
Silvia: Während der ersten Schangerschaft dachte ich auch noch, ich könnte meine Kinder eher in eine bestimmte Richtung drängen. Doch ich habe schnell gemerkt, dass das keinen Sinn macht. Wie kommt es, dass Sie jetzt ihren ersten Roman geschrieben haben?
Zehrer: Ich hatte Zeit.
Blogger
Silvia: Haben Sie Kontakte zu Bloggern? Lesen Sie deren Buchbesprechungen?
Zehrer: Ich hatte mich bislang noch nicht viel in der Blogosphäre umgesehen (sagt man überhaupt „Blogosphäre“ oder tun das nur Leute, die wirklich gar keine Ahnung haben?). Aber da ich mich neuerdings selbst google, stoße ich ständig auf Literaturseiten im Netz, die mir zuvor unbekannt waren. Ich staune, mit welcher Liebe, Sorgfalt und Energie diese Seiten betrieben werden. Das meiste, was da über mein Buch zu lesen ist, gefällt mir sehr gut. Auch wenn dem nicht so wäre: Ich gebe mehr auf die Beurteilungen der Blogger als auf die der professionellen Rezensenten, etwa der Zeitungskritiker, denn ich gehe davon aus, dass sie näher dran sind an dem, was die „normalen“ Leser von einem Buch halten.
Silvia: Das freut mich zu hören. Wie sehen Ihre weiteren literarischen Pläne aus?
Pläne
Zehrer: Ich habe große Lust, als nächstes Buch etwas Tolldreistes zu schreiben, das geeignet ist, meinen frisch erworbenen Ruf als seriöser Erzähler zu ruinieren. Ich denke aber noch darüber nach, was das sein könnte.
Silvia: Das macht mich gerade sehr neugierig. Ich hoffe, Sie haben bald mal wieder Zeit etwas zu schreiben. Nun noch unsere obligatorische Keksfrage: Was sind Ihre Lieblingskekse (gerne mit Rezept)?
Zehrer: Duchy Originals Orange Cookies. Rezept: Kekse kaufen, Packung öffnen, Kekse essen. Gelingt immer.
Danke
Es geht doch nichts über eine 100%-geling-Garantie! Ich danke Herrn Zehrer für dieses Interview und wünsche ihm noch viel Erfolg mit „Das Genie“ und bin gespannt auf sein nächstes Buch.
Klaus Cäsar Zehrer hat für seinen Debütroman mit Diogenes einen renommierten Verlag gefunden. Auf dem Verlagsblog beantwortet er weitere Fragen zu seinem Buch.
Hallo Silvia,
ein sehr lockeres und trotzdem interessantes Interview. Vor allem das Keksrezept ist der Brüller und die Antwort auf ein aktuelles Genie. Falls ich selber noch dazu komme werde ich diese Antwort mal aufgreifen
Liebe Grüße
Marc
Hallo Marc,
Bei Messi musste ich auch lachen. Bei den Lieblingskeksen sowieso.
Ich würde es klasse finden, wenn du diese Antworten aufgreifst. Im Mail-Interview kann man so schlecht selbst nochmal nachhaken.
Viele Grüße
Silvia
Pingback: [Debütpreis 2017] [Rezension]: Klaus Cäsar Zehrer – Das Genie – Lesen macht glücklich