Elena Fischer: Paradise Garden
Sonntag, 27. August 2023
Kein Paradies für Billie
Billie wohnt mit ihrer Mutter Marika in einer Hochhaussiedlung. Obwohl Marika zwei Jobs hat, reicht das Geld hinten und vorne nicht. Sie können sich nur wenig leisten. Zum Beispiel haben sie ein Auto, aber dort ist der TÜV schon lange abgelaufen, sie fahren trotzdem manchmal damit.
Marika macht auch ein großes Geheimnis um Billies Vater und überhaupt über ihre Vergangenheit. Auch zu ihrer eigenen Mutter in Ungarn hat Marika wenig Kontakt. Bis diese eines Tages vor der Tür steht. Denn sie ist krank und traut dem deutschen Gesundheitssystem mehr als dem ungarischen. Das bedeutet für Billie, sie muss ihr kleines Zimmer abgeben und zusammen mit ihrer Mutter im Wohnzimmer schlafen. Was sind das denn für Sommerferien?
Sommerferien
Billie liebt ihre unkonventionelle Mutter. Natürlich ist sie auch manchmal genervt, aber sie haben einen bunten Alltag, wagen auch mal was. Am Monatsanfang gönnen sie sich zum Beispiel häufig einen Eisbecher im Eiscafé. Am liebsten isst Billie dort „Paradise Garden“, der auch dem Buch den Titel gab.
Einmal gönnen sich Billie und Marika einen Ausflug, an einen Badesee.
Unser Ausflug an den See war wie zum letzten Mal einzuatmen, bevor einem jemand den Kopf unter Wasser drückt.
Denn es kommt sehr schlimm. Denn Billie muss nicht nur ihr Zimmer an die Oma abtreten. Erst verliert sie auch noch ihre beste, eigentlich einzige Freundin. Damit nicht genug, kommt es zum Streit zwischen den dreien Generationen in der engen Wohnung und ein katastrophales Unglück geschieht.
Tod
Marika fällt unglücklich und stirbt. Das ist kein Spoiler, denn die Ich-Erzählerin Billie nimmt das im ersten Satz des Buches schon vorweg:
Meine Mutter starb in diesem Sommer.
Billie ist verzweifelt. Was passiert jetzt? Ist die Großmutter schuld am Tot von Marika? Wo soll Billie hin? Das Jugendamt schaltet sich ein. Ein Heimaufenthalt droht. Dazu kommt noch die Trauer um die Mutter. Hätte diese ihr doch nur verraten wie der Vater heißt.
Geheimnisse
Da findet Billie eine Kiste mit ein paar Fotos und anderen Erinnerungsstücken.
Ist das der Vater auf dem Bild? Die Spur führt nach Norddeutschland. Kann Billie ihren Vater finden? Wenn ja, wird er sie als Tochter akzeptieren?
Mein Leben war in zwei Teile zerfallen. In ein Davor und ein Danach. Davor war meine Mutter die Antwort, danach war sie die Frage.
Sie macht sich auf den Weg das Geheimnis um ihre Herkunft und die Vergangenheit der Mutter zu ergründen. Da verändert sich das Buch zu einer Art Road-Movie, das auf einer kleinen Nordseeinsel endet.
Aber dann schaute ich nicht mehr zurück. Jeder weiß, dass man nicht vorankommt, wenn man zu viel zurückschaut. Es ist, als ob etwas in einem erstarrt.
Familie
Billie kann eigentlich mit ihrem Leben sehr gut umgehen. Sie ist sehr selbständig, kann sich sehr gut einschränken und Verzicht üben. Was ihr fehlt ist eine Familie, die erhofft sie sich, wenn der Vater gefunden wird. Doch die Mutter Marika, sonst so offen, macht da total zu.
Als sie mal von einem Ex-Freund spricht heißt es nur das war
Einer, der auch nicht wusste wie Familie geht.
Marika hasste es abhängig zu sein, das Gefühl, das ihre eigene Freiheit beschnitten wird. Billie ist ihr da nicht unähnlich.
Im Buch gibt es auch mal einen schönen Moment zwischen Billie und ihrer Großmutter, als sie zusammenbacken. Diese familiären Augenblicke sind Billie sehr wichtig und geben ihr Sicherheit und Geborgenheit.
Die Autorin
Elena Fischer wurde 1987 geboren. Sie studierte Filmwissenschaft und Komparatistik in Mainz und lebt auch heute dort.
2021 war sie Finalistin beim open mike und gewann den Literaturförderpreises der Stadt Mainz. Für ihren Debütroman Paradise Garden ist Elena Fischer Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals nominiert. Das Buch steht auch auf der Liste des Bloggerpreises 2023 von Das Debüt und auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.
Fazit
Das Thema „Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen“ trendet im Moment. In Paradise Garden von Elena Fischer wird durch den Tod der Mutter und die Suche nach dem Vater und damit nach sich selbst eine neue Facette dieses Topics dargebracht. Der Stil ist mitreißend, die inneren Gedanken von Billie sind zur Protagonistin passend. Sehr gut gefiel mir die Beschreibung des Mehrgenerationenkonflikts und das spannende Dreieck Tochter, Mutter, Großmutter.
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