Bloggerpreis Das Debüt 2020
Freitag, 15. Januar 2021
Meine Entscheidung
Der Blog Das Debüt vergibt auch für 2020 wieder den Bloggerpreis für das beste deutschsprachige Debüt. Die Preissumme hat vielleicht eher symbolischen Character, aber das Auswahlverfahren bietet den Debütantinnen/Debütanten eine tolle Plattform auf den teilnehmenden Blogs. Diesmal besteht die Jury aus 17 teilnehmenden Blogs. Im besten Fall sind das 17 zusätzliche Rezensionen für jeden Roman. Das ist mit ein Grund, warum ich mitmache, der andere ist natürlich um neue Literatur kennenzulernen. Denn auch ich griff in der Buchhandlung häufig zu den Namen, die ich schon kenne. Die Teilnahme an dieser Jury hat meinen Lesehorizont in den letzten Jahren enorm erweitert. Denn inzwischen greife ich häufig gezielt zu Debütromanen. Und ich freue mich immer, wenn ein zweites Buch von diesen meist jungen Autorinnen/Autoren erscheint.
Seit drei Wochen, seit ich das letzte der fünf Bücher von der Shortlist ausgelesen habe, plage ich mich innerlich mit der Entscheidung herum. Eigentlich wollte ich den Post mit dem Satz beginnen „noch nie fiel mir die Entscheidung so schwer wie dieses Mal“. Doch das habe ich auch schon letztes Jahr geschrieben…
Entscheidungsfindung
Da ich von selbst nicht zu einem Entschluss kam, aber nur noch zwei Tage Zeit hatte um meine vergebenen Punkte samt Begründungen an die Kolleginnen von Das Debüt zu senden, habe ich mich mal professionell verhalten. Nicht umsonst arbeite ich seit Jahren in der IT und befasse ich mich dort häufig mit Prozessen, Entscheidungen und Auswahlverfahren.
Kriterien
Ich erstellte erst mal eine Liste mit Kriterien, nach denen ich die Bücher bewerten wollte. Dabei kam schnell raus, was mir an einem Buch am wichtigsten ist. Das hört sich objektiv an, ist es aber nicht, denn meine eigenen persönlichen Eindrücke sind ja nicht wissenschaftlich fundiert, sondern entsprechen meiner jetzigen Meinung. Doch hier erst mal meine Kriterien:
Stil
Es geht hier um einen Literaturpreis, da sollte der Stil schon wichtig sein, oder? Wie gesagt, ich bin eine einfache Leserin, keine Literaturwissenschaftlerin. Ich habe keine objektiven Kriterien, nach denen ich einen Stil als gut oder schlecht beurteile, sondern auch das geht nach Gefühl. Schließlich arbeite ich nicht beim Feuilleton, sondern bin Hobby-Bloggerin, da darf ich das.
Plot
Damit meine ich die Story, die Storyline. Gibt es logische Brüche? Die sind mir in einem literarischen Roman nicht so wichtig wie in einem Krimi, aber es muss trotzdem irgendwie passen. Gibt es eine Art Spannung? Wie ist der Anfang? Stellt mich das Ende zufrieden? Passt das alles zusammen?
Originalität
Es geht hier um Debütromane. Neue literarische Stimmen. Gibt es irgendetwas in dem Buch, dass ich so noch nicht gelesen habe? Neue Ideen? Sei es Stil, Plot, Relevanz, what ever? Wenn ich zum Beispiel das Gefühl habe ähnliche Bücher schon zu dutzenden gelesen zu haben, dann würde ich hier eine sehr niedrige Punktzahl vergeben.
Nachhall
Das ist mir beim Lesen überhaupt besonders wichtig. Ich möchte mich auch nach dem Lesen mit dem Buch auseinandersetzen. Von einem guten Buch erwarte ich, dass es sich vielleicht auch noch Wochen und mehrere Bücher später immer wieder in meine Gedanken schleicht. Das meine ich mit Nachhall. Schlage ich das Buch zu und denke nicht mehr daran, dann bekäme es keine Punkte.
Gefühl
Der subjektivste Punkt. Ich lese, weil ich gerne lese. Ja, ich will Neues entdecken, ich will mich reiben und darüber nachdenken. Aber ich will das Buch auch gerne lesen. Lapidar: es soll mir gefallen. Das ist einfach nur ein Gefühl. Ohne Kriterien, ohne Nachweise, ohne Diskussionen. Bei den anderen Kriterien könnte ich mir Diskussionen vorstellen, nach denen ich zu anderen Ergebnissen komme. Aber nicht bei meinem Gefühl, dass ich habe, wenn ich am Ende der letzten Seite angekommen bin.
Relevanz
Empfinde ich das Thema des Buches in meiner Welt relevant? Finde ich es wichtig, dass über dieses Thema geschrieben wird? Kann es zumindest einen kleinen Teil der Welt verändern? Kann es in Leserinnen/Lesern etwas bewegen? Bewegt es etwas in mir? Verändere ich mich dadurch?
Hat vielleicht ein wenig von allen anderen Kriterien gemeinsam, habe ich aber trotzdem aufgenommen.
Bewertung
Nachdem ich mich für Kriterien entscheiden hatte, ging alles ganz leicht. Ich machte tatsächlich eine Tabelle und vergab allen Büchern zu allen Kriterien Punkte (fünf bis eins). In jedem Kriterium durfte jede Punktzahl nur einmal vorkommen. Ich musste mich also sechsmal für eine Rangfolge der fünf Bücher entscheiden. Alles subjektiv, mehr noch, die Bewertung erfolgte intuitiv. Ich hatte innerhalb von fünf Minuten ein Ergebnis, dass mich überraschte. Platz eins und zwei hatten nur einen Punkt Unterschied. Platz vier und fünf hatten gleich viele Punkte, Platz drei nur zwei mehr. Im Folgenden beschränke ich mich auf die ersten drei, für die Punktevergabe des Debütpreises relevanten Plätze.
Platz drei
Den dritten Platz nimmt Schatten über den Brettern von David Misch ein. Besonders hoch gepunktet hat das Buch bei mir beim Nachhall. Je länger ich darüber nachdachte, desto komplexer erschien es mir und desto raffinierter war die Verstrickung der jeweiligen Ebenen miteinander. Das schlug sich auch in Plot-Bewertung nieder.
Platz zwei
Wir verlassenen Kinder von Lucia Leidenfrost landet bei mir auf Platz zwei. Mit jeweils der höchsten Punktzahl bei Gefühl, Originalität und Relevanz. Ohne meine Liste hätte ich das Buch auf den ersten Platz gesetzt. Da sprach rein das Gefühl aus mir. Ich konnte es nur nicht begründen. Die Erzählweise, vor allem die Wir-Stimme der Kindergruppe habe ich so noch nicht gelesen und hat mich sehr in den Bann gezogen. Während ich das Buch las, hätte ich Relevanz auf 1 Punkt gesetzt, aber danach habe ich mal über solche verlassenen Kinder recherchiert. Das Thema ist sehr relevant! Man bedenke, dass mir diese Problematik vorher nie in diesem Ausmaß bewusstwurde.
Platz 1
Gewonnen hat nach meinem Kriterienkatalog, Amanda Lasker Berlin mit Elijas Lied. Höchstpunktzahl nur beim Plot. Denn die Beschränkung des eigentlichen Plots auf rund 24 Stunden gefiel mir sehr. Die Verwebung der Leben der drei Schwestern, die Verknüpfung der Schicksale, die Verbindung mit dem beschwerlichen Weg: das fand ich alles sehr gelungen. Doch bei den anderen Kriterien schnitt das Buch bei mir auch durchweg ganz gut ab. Ich habe es gerne gelesen, es beinhaltet relevante Themen, ich habe später häufig daran gedacht. Und wie gesagt, nur ein Punkt mehr als Wir verlassenen Kinder. Also ziemlich gleich auf.
Jetzt zitiere ich mich mal selbst und wiederhole mein Fazit zum Buch aus dem Rezensionsbeitrag:
Elijas Lied von Amanda Lasker-Berlin ist ein Debütroman, der mich aufgewühlt hat. Drei Schwestern, deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten an einem einzigen Tag, auf einer langen, beschwerlichen Wanderung angerissen, zum Teil auch vertieft werden. Ein Roman, den ich gerne gelesen habe und einen langen Nachhall in mir hinterließ, weil er mir Einblicke in drei sehr unterschiedliche Leben bot.
Fazit
Auch dieses Jahr bin froh, dass ich mich wieder an der Jury beteiligt habe. Diesmal gab es in der Jury mehr Austausch durch Online-Treffen. Das fand ich toll. Das wäre ein toller Lesekreis!
Sehr gefreut hat mich auch, dass alle Autorinnen/Autoren bereit waren, mir ein paar Fragen für einen Interviewbeitrag zu beantworten. Alle waren sehr nett im Kontakt und haben echt schnell geantwortet.
Nicht zuletzt: ich werde bei allen aus der Shortlist auch zum zweiten Roman greifen, sobald er erscheint. Der von Amanda Lasker-Berlin, Iva atmet, erscheint schon bald. Ich freue mich darauf.
jetzt bin ich sehr gespannt auf die Bewertung der anderen Jurymitglieder und das endgültige Votum.
Danke
Vielen Dank an die drei Damen vom Blog Das Debüt. Danke für die Organisation, die Idee und die Vorauswahl für die Shortlist. Sie haben alle Bücher der Liste der eingereichten Debütromane gelesen, bewertet, und diskutiert bis diese spannende Shortlist entstanden ist.
Wenn ich darf, bin ich auch gerne wieder dabei, wenn die Frage im Raum steht: was ist der beste Debütroman 2021?